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[Artikel] Keine heile Welt mehr im Kinderbuch

Begonnen von Chris, 12. August 2016, 14:53:55

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Evanesca Feuerblut

Der Artikel hat bei mir auch nicht gerade Anklang gefunden. Für mich beschreibt "Pippi Langstrumpf" alles Mögliche, nur keine heile Welt, beispielsweise. Auch "Das Sams" oder "Momo" nicht.
Als ich die Bücher als Kind gelesen habe, habe ich es gar nicht so sehr verstanden. Ich habe mich mitgerissen gefühlt zu den lustigen oder geheimnisvollen Abenteuern der Helden und habe mitgefiebert. Beim erneuten Lesen als Erwachsene wird mir dann klar, was da eigentlich alles ganz leise, durch subtile Zwischentöne, an Problemen abgearbeitet wird, die teilweise bis heute aktuell sind.

Mal als Beispiele, was mir spontan einfällt:
Pippi Langstrumpf: Die gesellschaftliche Spannung, wenn es darum geht, wie viel Erziehung, wie viel Norm für ein Kind gut ist. Völlige Anarchie, wie bei Pippi? Aber wieso sehnt sie sich dann so sehr nach ihrem Vater? Sie ist doch so frei, wie kein Kind sonst es sein darf. Aber genauso wenig ist die strenge und genormte Erziehung für ihre Freunde gut. Wo also zieht man die Grenze? Wie viel Fürsorge und wie viele Regeln braucht ein Kind, um sich zu einem glücklichen Menschen zu entwickeln?

Momo:
Über die Macht von (erzählten) Geschichten, der Fantasie und miteinander verbrachter Zeit. Denn Zeit ist kostbarer als Geld und man kann sie nicht sparen. Wenn man nur immer seine Karriere voranbringen möchte, statt sich mit den Mitmenschen zu beschäftigen und zu leben, dann wird man irgendwann zu einem grauen Menschen, der innerlich schon längst abgestorben ist. Von der Konsumkritik (man beachte "Bibi Girl" und "Bubi Boy", mit denen Momo nicht spielen kann) ganz zu schweigen.

Ich würde es also vor allem als Verkennung der Klassiker wahrnehmen, dass man ihnen eine "Heile Welt" und jegliche Ansätze zur Problematisierung der Gesellschaft aberkennt :/.
Dass die Kinderliteratur heutzutage teilweise problemorientierter sein kann, per se, streite ich nicht ab. Als Begründung fällt mir aber eher ein, dass Kinder sich heutzutage mit anderen (und teilweise deutlich mehr) Problemen konfrontiert sehen, als z.B. in den Sechzigern.

Franziska

Also alle Kinder die ich kenne lesen Pipilangstrumpf etc. Haben die vielleicht schon mal drüber nachgedacht, dass sich die Bücher vielleicht deshalb nicht mehr verkaufen, weil sie einfach jeder schon hat? Also meine Mutter hat diese ganzen Kinderbücher, teilweise noch aus ihrer Kindheit, an mich weitergegeben, hätte ich Kinder, würde ich sie wiederrum weitergeben.
Außerdem stimme ich Judith zu. Heile Welt sieht anders aus. Ich kenne viele, denen Brüder Löwenherz zu heftig ist und die es als Kind nie gelesen haben. Andererseits kenne ich Eltern, die 6-jährigen Herr der Ringe vorlesen.
Ich erinner mich, dass ich in der fünften Klasse ein Buch in der Schule geschenkt bekommen habe, dass mich etwas traumatisiert hat, darin ging es um ein Mädchen, dass sich gleichzeitig in einen Jungen und ein Mädchen verliebt und versucht sich umzubringen. Keine Ahnung, wie der Lehrer darauf gekommen ist, das wäre ein gutes Buch für 10-jährige. Danke auch. Meine Mutter hat ihre Diplomarbeit über das Familienbild in Kinderbüchern geschrieben und ich habe damals ihre ganzen Bücher mitgelesen. Da ging es um Themen wie Scheidung, übelestes Mobbing etc. Ich weiß jetzt nicht mehr, wann das genau war aber auf jeden fall vor 2000.

Bunt Speck

Zitat von: Aryana am 13. August 2016, 17:56:36
Zitat von: FeeamPC am 13. August 2016, 17:35:07
Und, ganz ehrlich, ich hasse es, wenn Kinderbücher immer nur Probleme zeigen sollen. Sehen die Kinder eh genug. Klar, die reale Welt ist so. Aber wir Erwachsene holen uns in Büchern auch Weltfluchten, weil uns die reale Welt tierisch nervt.

:knuddel: Dafür möchte ich dich einfach mal umarmen - ich habe als Kind nichts mehr gehasst als diese ach so pädagogisch wertvollen Problembücher. Ich habe einige der dort behandelten Themen am eigenen Leib erfahren und wollte mich in meiner Freizeit dann doch lieber mit Astrid Lindgren beschäftigen.

Ich umarme mit ...
Und: die Leser der "verstaubten" Bücher sind und werden Eltern ... entstauben die Bücher oder müssen dem zur Zeit ja eher dürftigen Kinderbuchmarkt wieder auf die Beine helfen.

Bunt