• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Dicke Figuren beschreiben

Begonnen von Mondfräulein, 11. März 2015, 19:27:25

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Erdbeere

#15
@Mondfräulein: Ich bin da voll auf deiner Seite, was die Meinung angeht. Allerdings hätte ich gedacht oder mehr gehofft, dass es noch nicht ganz so schlimm ist. Ich habe den vagen Verdacht, dass mollig als "ein paar Pfund zu viel" angesehen wird. Und laut Gesellschaft sind "ein paar Pfund zuviel" halbwegs akzeptiert, bzw. werden belächelt und als "halb so wild" abgetan. Aber das sollten wir hier nicht diskutieren. :-X

@Mogylein: Deine Vorschläge mag ich persönlich sehr und habe sie mir notiert, um sie später einmal zu verwenden bzw. in die Richtung zu arbeiten. Danke. :knuddel:

@Kati: Das ist doch Irreführung am Leser. :seufz: Jedenfalls komme ich mir immer verarscht vor, wenn ich so etwas lese. [Edit] Ich meine übrigens deinen ersten Absatz, das mit dem molligen Mädchen, das in die Jeans ihrer dünnen Freundin passt.

Ich glaube, es kommt stark drauf an, wie man als Autor die Figur selbst darstellt. Kati, du hast das sehr gut in Worte gefasst. Das Problem mit den Lesern, die sich die Figur dann anders vorstellen - ich glaube, das können wir als Autoren nicht oder kaum beeinflussen. Das ist schlussendlich wie mit Haarfarben, die man anfangs nicht erwähnt. Da stellt der Leser sich die Figur dann über das halbe Buch hinweg blond vor, bis sich herausstellt, dass sie braunhaarig ist.

Entropy

#16
Ein schwieriges Thema ist es wirklich, vor allem da jeder Leser eine andere Vorstellung hat und und eine andere Einstellung, was negative Assoziationen betrifft. Ich denke, da kann man es unmöglich allen recht machen, egal welche Formulierung man nimmt. Die Beschreibungen sind einfach so negativ behaftet, weil das Gegenteil immer wieder von der Modeindustrie angepriesen wird. Die einen finden Frauen mit Größe 42 zu dick, die anderen Frauen mit Größe 36. Deswegen würde ich das keineswegs an der Kleidergröße festmachen, da sie wie bereits angemerkt, von Laden zu Laden variiert. Bei H&M ist mit auch aufgefallen, dass sie offenbar für Magersüchtige produzieren, zumindest was die Jeans betrifft. ;)

Ich würde es auch mit Metaphern oder Umschreibungen versuchen. Oder eben nicht direkt sagen, dass sie dick ist, sondern das nebenbei mit einfließen lassen. Zum Beispiel, dass sie sich beschwert, ihr Stuhl wäre zu unbequem und offenbar für dünnere Leute gemacht. Viele dieser subtilen Beschreibungen tragen dann zu einem Gesamtbild bei. Daran wäre aus meiner Sicht jedenfalls nichts Abwertendes.

Mondfräulein

Zitat von: Kati am 11. März 2015, 20:26:24
Das einzige Problem bleibt dann, wie man verhindert, dass sich die Leser die Figur als "fünf Kilo mehr" vorstellen, wenn man sie eigentlich als wirklich dick im Kopf hat.

Ich glaube, wenn man beispielsweise Formulierungen wie von Mogy benutzt und nicht irgendwie entkräftigt, dass die Person dick ist (z.B. indem man sagen würde, sie nimmt 5kg ab und ist dann schlank oder sie passt in die Kleidung der dünnen Freundin), dann können dicke Menschen sie immer noch als dick lesen, wenn sie möchten, und das ist ja, was ich will, Repräsentationsfiguren schaffen. Ich denke, viel mehr als ihren BMI rein zu schreiben geht dann auch nicht. :-\ Aber ich schreibe meine dicken Figuren ja auch eigentlich nicht für dünne Menschen, die sie dann eben nur als kurvig lesen oder so, sondern eher für dicke Menschen, damit sie sich darin wiederfinden können. Gerade da ist es mir dann eben wichtig, denen nicht das Gefühl zu geben, sie müssten sich für ihr Gewicht schämen.

@Entropy: Ich mag an deinem Beispiel, dass die Figur das von sich aus anspricht, also selbst sagt, ich bin dick, deshalb ist der Stuhl unbequem, als dass jemand anderes das über sie sagt. :jau:

Sprotte

Ich habe eine wirklich dicke Prinzessin (wichtige Nebenrolle) in einem Roman. Rubens-Dimensionen (also auch meine), und da habe ich speziell auf Details geachtet wie die Grübchenhände, habe auch von üppigen weiblichen Rundungen geschrieben, selbst Pausbäckchen habe ich ins Gefecht geworfen.

Sipres

Da hab ich zwei Möglichkeiten, je nachdem, ob der Charakter sympathisch sein soll oder nicht. Ist jemand, den man mögen soll, dann wird auf freundliche Art von seinem Übergewicht gesprochen oder hier und da mal ein Witz unter Freunden eingefügt. Ist es aber kein Sympathieträger, beschreibe ich die Person gerne mal als schwabbelnden Fettberg.

Mondfräulein

@Sipres: Ähm... positiv. Wie schon zweimal deutlich gesagt.

PinkPuma

Zunächst mal finde auch ich Mogyleins Vorschläge sehr gut. Eben nicht platt zu schreiben ,,sie ist dich", sondern bestimmte Körperteile herausheben, an denen deutlich wird, dass sie mehr auf den Rippen hat. Dabei würde ich Körperteile bevorzugen, die nicht so... nunja... ,,belastet" sind. Also nicht die beinahe klischeehaften ,,weiblich runden Hüften".

Weiterhin könnte ich mir vorstellen, weniger dicke Körperteile positiv hervorzuheben. Beispielsweise ihre schlanken Füße. Wobei ich mir jetzt nicht sicher bin, ob das schon wieder zu sehr in die Richtung geht, quasi den restlichen Körper entschuldigen zu wollen.

Außerdem könnte ich mir vorstellen, ihr Aussehen gar nicht direkt über Körperteile zu beschreiben, sondern einfach nur Assoziationen zu wecken. Beispiel: ,,Ihr Körper verhieß Wärme und Weichheit und lud dazu ein, sich anzuschmiegen." Wobei... klingt etwas sexualisiert oder? Aber so in die Richtung.

DoroMara

Zitat,,Ihr Körper verhieß Wärme und Weichheit und lud dazu ein, sich anzuschmiegen." Wobei... klingt etwas sexualisiert oder? Aber so in die Richtung.

Ich finde das einen spannenden Ansatz, weil ich selber Leute, die etwas mehr auf den Hüften tragen, sehr erotisch finde. In Büchern habe ich auch schon Textstellen gefunden, in denen man Bilder der alten Maler (Rubens und Co.) erwähnte, um auf die Körperfülle aufmerksam zu machen.

"Dicke" Menschen sind oft auch kräftig, warum das nicht erwähnen? Gedrungen oder kräftig und diese Angaben ergänzen mit Angaben zu den Rundungen, damit sich die Leser nicht eine Gestalt aus dem Kraftraum vorstellen.

Shin

Zitat von: Sipres am 11. März 2015, 21:13:02
Da hab ich zwei Möglichkeiten, je nachdem, ob der Charakter sympathisch sein soll oder nicht. Ist jemand, den man mögen soll, dann wird auf freundliche Art von seinem Übergewicht gesprochen oder hier und da mal ein Witz unter Freunden eingefügt. Ist es aber kein Sympathieträger, beschreibe ich die Person gerne mal als schwabbelnden Fettberg.
Naja, so ein Witz unter Freunden kann aber auch als problematisch gelesen werden, je nach Art der Umsetzung.

Es kamen hier ja schon gute Vorschläge und wir hatten über das Thema auch kurz im Chat gesprochen. So lange man die Beschreibung der Figur in eine allgemeine Beschreibung des Äußeren (lange Haare, Schuhe mit Absatz, etc.) einfließen lässt, sollte das recht gut klappen. Dick finde ich da besser als mollig, weil sich mollig wirklich nach den 5kg mehr oder nach "große Brüste, breite Hüften, Rest normal" anhört.
"Fett" finde ich auch in Ordnung, so lange es richtig benutzt wird. Es muss halt klar sein, dass mit fett wirklich fett gemeint ist und nicht ungepflegt, faul, dumm, hässlich, krank und dergleichen.
Oder eben, eine Person/Persönlichkeit ist nicht fett, sondern sie hat Fett (ragt beim Sitzen über den Jeansrand, rote Abdrücke beim Abstützen der Arme).

Wenn es bei dick bleibt und deutlich sein soll, dass es mehr als 5kg Übergewicht sind, dann vielleicht einfach zwischendurch Beobachtungen einstreuen. Schmerzende Füße/Knie, ein Körper, der durch Vibration/Wackeln mitlacht, vielleicht eine andere Person, die eine blöde Bemerkung von sich gibt, die Prota versinkt bei einer Umarmung mit der Person. Da solllte es einige Tricks geben.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Thaliope

Ich würde zur Beschreibung der Person bzw. einzelner Körperteile Wörter wie "füllig", "üppig", "weich" und "rund" benutzen. Das mit den Grübchen find ich auch sehr schön.
Ansonsten könnte man von einer starken Präsenz sprechen ;D

Davon abgesehen denke ich in Richtung Kleiderfrage. Also a) würde ich ggf. die Kleidergröße (in Relation zur Körpergröße) erwähnen. Welchen Dickheitsgrad der Leser dem dann zuordnen mag, bleibt ihm selbst überlassen. Und b) könnte man zum Beispiel erwähnen könnte, dass die dicke Person es schafft bzw. Wert darauf legt, in Größe XY schicke/modische/vorteilhafte/stylische Klamotten zu finden. Außerdem könnte man, sofern es zum Setting passt, kurz darauf eingehen, wo sie diese Kleidung findet, welche Körperteile sie an sich besonders mag und wie die in dieser Kleidung betont werden bzw. aussehen.

LG
Thali


Coppelia

#25
Ich hasse mein Macbook - mein langer Post ist mal wieder im Nichts verschwunden ... :'( Dann versuche ich es noch mal in etwas kürzer.

Ich habe häufiger dicke Figuren am Start, auch als Hauptfiguren, und ich gehe etwas ähnlich vor wie Mogylein: Ich stelle sie dar, wie sie sind, als großartige Leute (jedenfallls hoffe ich, dass ich es so rüberbringen kann). Ob jetzt mein alter Feldherr, der eigentlich nur das Beste für alle wollte, die Senatorenfrau, die meiner schurkischen Hauptfigur den Kopf zurechtrückt und sein Herz erobert, oder Lukial, der Politiker/Redner. Diese Leute sind kompetent, integer, haben Power und Esprit und setzen sich für das ein, was sie für wichtig halten. Dafür habe ich bei allen aber auch ihr Aussehen recht direkt beschrieben. Bei Lukial vor allem habe ich deutlich gemacht, dass er nicht nur in Hinblick aufs Gewicht, sondern auch in sonstiger Hinsicht die ästhetischen Kriterien seiner Umwelt nicht erfüllt und dadurch häufiger im Nachteil ist. Ich lasse ihn zwar körperliche Einschränkungen erfahren, aber ich reite nicht allzu sehr auf Einzelheiten herum. Wenn die Leser wissen, wie er aussieht, können sie sich ja selbst in Einzelheiten vorstellen, wie er aussieht, wenn er entkleidet ist oder wenn er einen Berg raufläuft oder oder oder ...
Bei Lukials erstem Auftritt wird er aus der Perspektive seines besten Freundes beschrieben, der erschrocken ist über seinen  schlechten Zustand. Dabei geht's aber nicht nur um Gewicht. Die Perspektive des Freundes ist aber gut geeignet, denke ich, um Lukial bei seinem ersten Auftritt sympathisch zu machen, denn er wird ja von jemandem betrachtet, der ihn liebt und ihn annimmt, wie er eben ist. Bei der Perspektive der Figuren selbst fand ich es hilfreich, wenn sie sich auch so annehmen, wie sie sind. Würden sie ständig danach streben, ihr Aussehen den Wünschen ihrer Umgebung anzupassen, würde ich sie als schwächer empfinden - außerdem gibt es wirklich Wichtigeres, auch für Figuren.
Ich habe mit allen Figuren auch erotische Szenen geschrieben. :) Weil ich es kann, und weil ich keine Lust auf 0815-Erotik mit Einheitsfiguren habe.

Ich weiß, das ist nicht Mainstream, und das ist auch nicht verkäuflich. Aber mir gefällt es so.

Mogylein

Zitat von: Shin am 12. März 2015, 01:36:52
Dick finde ich da besser als mollig, weil sich mollig wirklich nach den 5kg mehr oder nach "große Brüste, breite Hüften, Rest normal" anhört.

Schlank ist nicht "normal"  :pfanne: Das weißt du, es ist nur falsch rausgekommen, aber gerade bei Menschen, die selber dick sind, finde ich wichtig darauf zu achten. Du bist normal, ich bin normal. Nur halt dick.

@Coppelia Ich denke übrigens nicht, dass erotische Szenen mit dicken Figuren etwas unverkäuflich machen. Die Szenen sind ja meistens vor Allem Gefühlsbeschreibungen und man verliert sich nicht in in der Beschreibung jeder Fettfalte. Meine persönliche Erfahrung sagt mir aber, dass Sex mit dünnen Menschen schon ein paar Unterschiede zu Sex mit dicken Menschen hat; wie sehr man das ganze einbindet ist dann natürlich auch davon abhängig, wie genau man Aktionen überhaupt beschreibt.

Einen Witz "unter Freunden" fände ich übrigens unangebracht. Ich als dicke Person würde mich da ausgelacht fühlen, denn obwohl die Figuren Freunde der dicken Figur sind, sind sie nicht meine Freunde und wenn die dicke Figur dann mitlacht hätte das für mich etwas, wo "Ach komm, hab dich nicht so, lach doch drüber" mitschwingt.
Es gibt übrigens genau zwei Personen, denen ich erlaube, Dicken-Witze mit(!) mir und über mich zu machen. Das darf nicht jeder Freund.

Ansonsten finde ich das Adjektiv "breit" noch sehr eindeutig.
ZitatAls ich die Tür öffnete, stand meine breite Freundin Melanie vor der Tür. Ich versank in ihrer weichen Umarmung und ließ die angestauten Tränen laufen.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Sipres

Das mit dem Witz unter Freunden kenne ich aus meinem Freundeskreis. Ich bin selber sehr, sehr füllig (135 Kilo auf 1,75 m Körpergröße). Mich stört es nicht, wenn jemand einen Witz darüber macht. Ich mache ja selber genug Witze über mein Übergewicht. Außerdem bietet es mir die Möglichkeit, die Fehler der anderen als Vorlage für Witze zu benutzen.

Mogylein

Zitat von: Sipres am 12. März 2015, 10:57:26
Außerdem bietet es mir die Möglichkeit, die Fehler der anderen als Vorlage für Witze zu benutzen.

Das klingt für mich nach einer Weltanschauung, in der Übergewicht ein Fehler ist. Das finde ich sehr schade.  :(

Es ist allerdings etwas anderes, etwas im privaten Umfeld okay zu finden (für sich selbst) und etwas in einem Roman zu verwerten. Du magst etwas nicht unangebracht finden, anderen Dicken (beispielsweise mir) geht es da anders. Dementsprechend wird es auch immer eine Schnittmenge der dicken Leser unangebracht finden und genau das ist es doch, was wir möglichst vermeiden wollen. ;) Klar, irgendwer wird immer noch nicht zufrieden sein. Aber es ist wichtig, gerade, wenn so wenig Repräsentation herrscht wie von positiv besetzten, attraktiven dicken Figuren, die Leute, die sich repräsentiert fühlen sollen, nicht zu verprellen, indem man das ganze falsch angeht.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Lothen

Ohne jetzt wirklich noch was zur Diskussion beitragen zu können (eigentlich wurde ja schon sehr viel gesagt) möchte ich mich noch mal kurz für den Thread bedanken (vor allem deine Ausführungen @Coppelia ).

Ich hab gerade wirklich Lust, künftig mehr auf Diversität zu achten, wenn es um die Figur meiner Charaktere geht. Eigentlich echt blöd, wenn man sich Mühe gibt, die Figuren optisch so differenziert wie möglich zu beschreiben und dann trotzdem nur schlanke Einheits-Proportionen dabei rauskommen. :) Kommt auf die To-do-Liste. Danke dafür.  :jau: