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Entwicklung am deutschsprachigen Fantasymarkt

Begonnen von Franziska, 20. November 2014, 20:08:16

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Pestillenzia

Zitat von: Kati am 26. Dezember 2014, 15:55:15
Kann es sein, dass es einfach billiger ist, Lizenzen einzukaufen, als eigene Bücher zu machen?

Ja, denn die Bücher wurden bereits lektoriert, sodass schon einmal ein großer Arbeitsschritt wegfällt. Die Bücher müssen "nur" noch übersetzt werden, und Übersetzerjobs sind - wenn es stimmt, was ich immer wieder gehört und gelesen habe - meistens nicht besonders gut bezahlt (Aber dazu können unsere Fachfrauen und -männer hier fundiertere Auskunft geben). Inwieweit Übersetzungen dann noch lektoriert werden, weiß ich nicht, aber insgesamt kommt der Verlag in der Regel günstiger weg und hat noch dazu das Marketingargument "Bestseller aus den USA/Großbritannien/etc.".

Christopher

Verstehe nicht ganz, wieso das überhaupt eine Einbahnstraße ist. Weiß ich bloß nix davon oder kaufen britische/amerikanische Verlage keine Lizenzen von deutschen Autoren von denen sie ggf. das Marketingargument "Bestseller aus Deutschland, dem Land der Dichter und Denker" dazu bekommen können?  :omn:
Be brave, dont tryhard.

Valkyrie Tina

Zitat von: Christopher am 26. Dezember 2014, 22:58:37
Verstehe nicht ganz, wieso das überhaupt eine Einbahnstraße ist. Weiß ich bloß nix davon oder kaufen britische/amerikanische Verlage keine Lizenzen von deutschen Autoren von denen sie ggf. das Marketingargument "Bestseller aus Deutschland, dem Land der Dichter und Denker" dazu bekommen können?  :omn:

Doch, das tun sie... aber dafür muss das Buch erst mal ein Bestseller sein. Und das erreichen die hier angesprochenen YA - Romane nicht, weil sie nicht entsprechend vermarktet werden- und ich fürchte, weil es einfach nicht das "Ökosystem" im deutschen Buchmarkt gibt.
Im englischspachigen Markt gibt es einfach eine Fülle von Romanen, und auch für ausgefallene Geschmäcker ist etwas dabei. Im deutschsprachigen Raum scheint es vergleichsweise weniger zu geben. Und entsprechend wenig gute Romane, bzw Bestseller kristallisieren sich heraus.

Mal ganz abgesehen davon fürchte ich, dass jedes Land seinen Ruf hat. Deutschland hat die Dichter und Denker... Willst du Ya-Fantasy lesen, die sich anhört, als hätte Schiller sie geschrieben?  :rofl:

Zu Dyonis dem Vampire schlich
Buffy den Pfahl im Gewande
Sie schlugen die Häscher in Bande
Was willst du mit dem Pfahle sprich?
Da kam Harry Dresden auf seinem untoten Tyrannosaurier und machte sie alle platt.

:rofl:
So, nu aber ins Bett! *duck und weg*

Pestillenzia

Tja, gute Frage. Leider ist es so, dass deutsche Titel sich - mit wenigen Ausnahmen, Nele Neuhaus zum Beispiel, die verkauft bis nach Japan - ins Ausland schlecht verkaufen. Der englischsprachige Markt ist riesig und entsprechend groß das Angebot, so dass deutsche Titel, die erst übersetzt werden müssen, einfach nicht gefragt sind. Und das mit den Dichtern und Denkern mag vielleicht in der Ernsten Literatur ziehen - bei Fantasy, Krimi und Co. interessiert das keinen.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat eine Zusammenfassung für 2014 herausgegeben; auf den Seiten 6ff geht es um Lizenzkäufe und -verkäufe. Zwar bezieht sich das nur auf den Buchhandel allgemein, nicht speziell auf Fantasy, aber interessant ist es doch. Hier gehts lang.

Franziska

Es werden schon ab und zu Lizenten gekauft. Aber vor allem von Kleinverlagen, daher bekommen die Titel dann nicht so viel Aufmerksamkeit. Oder eben wie erwähnt die Bestseller. Da kenne ich eigentlich nur Cornelia Funke, Kerstin Gier, Walter Moers, Christoph Marzi, Markus Heitz und Kai Meyer. Von Nina Blazon wurde ein Buch übersetzt, war aber wohl nicht so erfolgreich. Da ist es wahrscheinlicher, dass dasBuch auf tschechisch oder polnisch übersetzt wird. Was hier funktioniert muss nicht unbedingt in den USA oder UK funktionieren. Andersrum jedoch meistens schon.
Aber das ist eigentlich ein eigenes Thema. Ich wollte hier eigentlich über den deutschen Markt reden. ;)

Volker

Eins der Lizensierungs-Probleme ist, dass deutsche Verlage US-Bestseller meist nur in Lizenzpaketen bekommen können - also nicht nur den Bestseller, sondern nur zusammen mit einer Handvoll dazugepackter weiterer (zu bezahlender) Buchlizenzen. Und dann ist es latürnich billiger, nur noch den Übersetzer zu bezahlen und sich auf "etablierte Erfolgsimporte" zu setzen, als lokale Autoren neu aufbauen zu müssen.
:seufz:

Sascha

Zitat von: Volker am 27. Dezember 2014, 01:50:18
Eins der Lizensierungs-Probleme ist, dass deutsche Verlage US-Bestseller meist nur in Lizenzpaketen bekommen können - also nicht nur den Bestseller, sondern nur zusammen mit einer Handvoll dazugepackter weiterer (zu bezahlender) Buchlizenzen.
Eigentlich traurig, dass die Deutschen bei sowas mitmachen. Wenn mir jemand sagt "Du bekommst das, was Du willst, nur, wenn Du außerdem noch diese fünf Sachen dazunimmst, ob Du sie brauchst oder nicht.", dann würde ich sagen "Dann halt nicht." Müßten nur alle machen, dann würden die Ami-Verlage von dieser Idiotie schon abrücken. Aber solange halt irgendjemand bei dem Schwachsinn mitspielt, ziehen die anderen nach.

Timmytoby

Zitat von: Manu am 26. Dezember 2014, 22:05:06
Ja, denn die Bücher wurden bereits lektoriert, sodass schon einmal ein großer Arbeitsschritt wegfällt. Die Bücher müssen "nur" noch übersetzt werden, und Übersetzerjobs sind - wenn es stimmt, was ich immer wieder gehört und gelesen habe - meistens nicht besonders gut bezahlt (Aber dazu können unsere Fachfrauen und -männer hier fundiertere Auskunft geben). Inwieweit Übersetzungen dann noch lektoriert werden, weiß ich nicht, aber insgesamt kommt der Verlag in der Regel günstiger weg und hat noch dazu das Marketingargument "Bestseller aus den USA/Großbritannien/etc.".

Das täuscht :)
Eine Übersetzung hat auch immer noch ein Übersetzungslektorat mit dran und ein (seriöser) Übersetzer verlangt nicht weniger als ein Lektor pro Normseite/Wort (zumindest sollte er/sie das nicht).
Die Lizenzen lohnen sich vor allem, weil die Verträge für Autoren aus dem englischsprachigen Raum weitaus unfairer sind und der überwiegende Teil der Schriftsteller kaum etwas von den Gewinnen aus übersetzten Ausgaben zu sehen bekommt. Das wäre so, dank deutschem Urheberrecht, auch gar nicht möglich hier.
Außerdem ist es natürlich sehr lukrativ Lizenzen einzukaufen, weil sie weniger Risiko darstellen. Die Verlage kaufen ja generell vor allem Bücher ein die auch schon auf dem amerikanischen/britischen Markt erfolgreich waren. Normal muss ein Verlag eine Mischkalkulation fahren, bei der die Gewinne aus den gut laufenden Büchern die Verluste aus den Nieten ausgleichen. Bei Lizenzen gibt es weitaus weniger Nieten.
Und das erklärt auch wieder die Lizenzpakete: Die deutschen Verlage würden am Liebsten nur Bestseller einkaufen und die amerikanischen wollen auch aus ihre Midlist noch Gewinn schlagen. Als Kompromiss entstehen dann die Pakete. Da würde ich den deutschen Verlagen auch nicht die Opferrolle zuweisen.

Valkyrie Tina

Zitat von: Sascha am 27. Dezember 2014, 16:13:35
Eigentlich traurig, dass die Deutschen bei sowas mitmachen. Wenn mir jemand sagt "Du bekommst das, was Du willst, nur, wenn Du außerdem noch diese fünf Sachen dazunimmst, ob Du sie brauchst oder nicht.", dann würde ich sagen "Dann halt nicht." Müßten nur alle machen, dann würden die Ami-Verlage von dieser Idiotie schon abrücken. Aber solange halt irgendjemand bei dem Schwachsinn mitspielt, ziehen die anderen nach.

Umgekehrt wird aber auch ein Schuh draus. Alle Verlage tun das, auch die Deutschen, wenn sie einen entsprechenden Bestseller haben, und wäre das nicht so, gäbe es noch weniger übersetzte deutsche Autoren. Und selbstverständlich will ein Verlag für seine Autoren die besten Bedingungen raushandeln - entsprechend versuchen, möglichst viele seiner Autoren unterzubringen.

Insgesamt geht es bei diesen Geschäften um ökonomische Überlegungen. Ein Verlag der Grr Martin angeboten bekommt, wird nicht sagen "ne, ich nehm euer anderes Zeug aber nicht",  und mal ganz davon abgesehen ist der deutsche Buchmarkt nicht der einzige. Weder die amerikanischen noch die deutschen Verlage sind die "bösen"  oder die "lieben" und ich halte es für wenig zweckmäßig, bei Diskussionen Polemik und Beschimpfungen wie "Idiotie" oder, "Schwachsinn" zu verwenden. Manche Trends und Entwicklungen sind frustrierend, aber mit diesem "die pösen pösen Amis machen alles kaputt und die gierigen Verlage ziehen ja nach" begeben wir uns in eine Opferrolle, die erstens nix bringt und zweitens es sich sehr, sehr einfach macht. Weil dann sind ja nur die anderen Schuld und wir brauchen selber nichts zu ändern.

Sascha

Okay okay, liebe Nemesis. Ich hatte Volker so verstanden, daß das eine recht einseitige Sache ist.
Trotzdem finde ich solche Bündelangebote nicht gut. Das gibt's ja auch so im Alltag immer wieder, und ich empfinde es nun mal als Idiotie. Wenn mir jemand etwas verkaufen will, was ich gern möchte, aber nur, wenn ich einen Haufen anderes Zeug dazunehme, das ich nicht will, dann verzichte ich lieber. In seltenen Fällen mag es da (aus meiner Sicht) akzeptable Gründe geben (z.B. Autoelektronik, weil man da nicht jede Kombination einzeln testen kann), aber wenn es die nicht gibt, dann hab ich dafür auch kein Verständnis.
Wenn ich mir vorstelle, ich hätte mal irgendwann was veröffentlicht und dann hieße es "Du wirst übrigens jetzt für den englischsprachigen Markt übersetzt.", würde es mich sicher erst mal freuen. Aber wenn das dann nur passiert, weil man den Lizenznehmer eben per Bundle dazu gezwungen hat, hätte das für mich schon einen sehr schalen Beigeschmack. Klar, Geld gibt es, aber Freude hätte ich daran keine mehr.

Christopher

Zitat von: Timmytoby am 27. Dezember 2014, 21:01:59
Die Lizenzen lohnen sich vor allem, weil die Verträge für Autoren aus dem englischsprachigen Raum weitaus unfairer sind und der überwiegende Teil der Schriftsteller kaum etwas von den Gewinnen aus übersetzten Ausgaben zu sehen bekommt. Das wäre so, dank deutschem Urheberrecht, auch gar nicht möglich hier.


Hm. Wäre toll, wenn mal einer der englischen Autoren aus dem EU-Raum dagegen klagt, dass er nicht schlechter gestellt werden soll/darf als die deutschen Autoren, die vom hiesigen Urheberrecht geschützt werden. Das hätte den Vorteil, dass die ganzen englischen Autoren auch Mal was für ihre Arbeit sehen und gleichzeitig dieses Geramsche aufhört, was es den deutschen Neuautoren schwer macht. Gibt es nicht irgendwo eine Ecke für englische Autoren, wo man die Idee mal anklingen lassen könnte?  :hmmm:
Be brave, dont tryhard.

Alana

#26
Das Verlagsgeschäft ist ein knallhartes Business. Ein einziger Bestseller muss oft die Midlist mitfinanzieren und hält den Verlag außerdem konkurrenzfähig. Das ist eben freie Marktwirtschaft. Natürlich ist das irgendwie blöd, aber Bestseller sorgen auch für das Kapital, mit dem ein Verlag das Risiko eingehen kann, unveröffentlichte Bücher deutscher Autoren einzukaufen. Der US Verlag könnte ja auch einfach noch mehr Geld verlangen. Das wäre auch nicht unbedingt besser für den deutschen Verlag. Und wenn andere deutsche Autoren durch Verbündelung mit einem Bestseller eine Chance auf eine Übersetzung bekämen, fände ich das super. Das blöde daran ist halt, dass die mitverkauften Lizenzen nicht unbedingt die Bücher sind, die eine Übersetzung am meisten verdienen. Das ist vor allem, was mich daran stört.
Alhambrana

Chris

#27
Um noch mal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen  ;) - wie sieht es am Markt aus?
Ich versuche seit 2010 meine Fantasy-Romane an den Mann oder die Frau zu bekommen, ohne Erfolg. Weder im YA noch im Erwachsenenbereich, weder im Urban Fantasy noch im Romantasy ... - jedenfalls nicht bei den Publikumsverlagen, bei Kleinverlagen schon.
Von meiner Agentur habe ich zu hören bekommen: Fantasy geht gar nicht mehr, nur für etablierte Autorinnen und Autoren. Aber: das Gleiche hört man inzwischen auch für den historischen Roman, der noch vor wenigen Jahren als DAS Einstiegsgenre galt.
Im Moment ist es leider einfach so, dass die Programme insgesamt kleiner werden, die Programmplätze noch "umkämpfter" und Debüts noch mehr Glück haben müssen als noch vor fünf oder zehn Jahren.
Aber - das finde ich positiv: es gibt keinen Trend mehr und damit mehr Offenheit für Genres. Jetzt höre ich immer: "Wir suchen gut erzählte Geschichten ..."
Liebe Grüße
Chris

Franziska

Ja, dass es keinen speziellen Trend mehr gibt, ist glaube ich seit zwei Jahren so. Ich habe vorhin in der Nautilus einen Bericht gelesen von Martin Alexander, von dem gerade ein Fantasy-Debut bei Lübbe erschienen ist. Das Buch klingt für mich recht ansprechend, dass ich es lesen würde. Was mich erstaunt hat ist, dass er schreibt,  dass es sein erster Roman ist und er sich damit direkt bei Verlagen beworben hat und zwei Interesse hatten. Dann ist er bei Lübbe untergekommen. Da er sagt, es hätte eine Weile gedauert, vom Vertrag zum Erscheinen, war das dann wohl vor eineinhalb Jahren. Aber auch wenn ich bei meinen Bewerbungen bei Großverlagen immer Antwort bekommen habe, hätte ich dennoch nicht gedacht, dass es tatsächlich vorkommt, dass da was von den unverlangten Manuskripten ausgewählt wird. Ob er irgendwie schon vorher Kontakte hatte weiß man jetzt natürlich nicht. Vielleicht war das Buch einfach dermaßen gut. Also ganz so aussichtslos kann es dann nicht sein.

gbwolf

Zitat von: Franziska am 26. Dezember 2014, 16:35:11
Wie das mit SF aussieht, weiß ich nicht. Da ist Nadine die Expertin, da könnten wir auch mal einen eigenen Thread für aufmachen.
Oh danke, das schmeichelt mir natürlich. Aber alle neuen Trends bekomme ich momentan auch nicht mit. Derzeit spielt sich viel im Kleinverlagsbereich ab, deshalb verweise ich mal auf eine Diskussion bei SF-Fan, die nicht ganz meiner Meinung entspricht, aber doch einige nette Details hat - und vor allem von Leuten geführt wird, die sich im Kleinverlags-Fandom auskennen: http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f=1&t=8674 (Zukunftsperspektive für Science-Fiction in Verbindung mit Printverlagen)
Im Kinderbuchbereich kommt SF derzeit auch. Loewe wagt sich da beispielsweise mit "Mission Phönix" vor, dem Mark Brandis/Commander Perkins unserer Zeit, wie es scheint.

Weltraumabenteuer gehen immer, scheint mir.