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Hahaha - Wie man auf den Lachmuskeln der Leser Tango tanzt

Begonnen von Feuertraum, 11. Juli 2014, 19:10:01

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Feuertraum

Dieser kleine Workshop richtet sich an jene Autoren, die sich dem humoristischen Genre verschrieben haben. Auch wenn zum Schreiben von Humor eine Prise Talent benötigt wird, so unterliegt er diesem doch gewissen handwerklichen Gesetzen, Tricks und Kniffen, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Die Beispiele wirken in der Beschreibung nicht unbedingt komisch oder witzig. Sie sollen auch nur verdeutlichen, was mit den Umschreibungen gemeint ist.

Teil 1 – Wie man komische Figuren erschafft

Die komische Perspektive

Um eine komische Figur zu kreieren, muss ihr ein Charkterzug gegeben werden, der sich von der ,,Normalität" abhebt, der die Möglichkeit bietet, das Geschehen/die Situation aus einem vollkommen anderen Blickwinkel zu betrachten.
Zwei bekannte komische Figuren wurden durch die Schauspieler Oliver Hardy und Stan Laurel dargestellt: Dick und Doof
Insbesondere ,,Doof" ist ein Musterbeispiel einer komischen Figur – ein naiver Gutmensch, bei all seinen Versuchen, es richtig zu machen, richtet er durch Ungeschicktheit Schaden an.

WICHTIG: Die Welt muss  durch diesen Charakterzug betrachtet werden!

Doch reicht dies noch nicht ganz aus. Um die komische Figur noch stärker darzustellen, bekommt sie eine ganz besondere Eigenschaft: Die

Übertreibung

Es reicht leider nicht, dass man die Figur mit einer oder zwei Eigenschaften ausstattet, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte steht. Nein, diese Charakterzüge müssen auch noch so umgesetzt werden, dass sie sehr überspitzt rüberkommen.
Ein sehr sehr gutes Beispiel dafür ist die Figur Sheldon Cooper der Erfolgsserie ,,The Big Bang Theory" Auch wenn die anderen Figuren ihre etwas verschrobenen Eigenschaften, Dr. Sheldon Cooper treibt es mit der Überspitzung seines Verhaltens auf die Spitze, seinen Anspruch auf immer denselben Platz auf der Couch, seine Meinung, dass alle anderen Menschen dumm sind, seine Besserwisserei...
Auch Barney Stinston aus ,,How I met your mother" ist ein gutes Beispiel für die Übertreibung. Nicht nur, dass der Womenizer alle möglichen Maschen einsetzt, um das Objekt seiner Begierde 'rumzukriegen, auch bezeichnend für ihn ist seine Aversion gegen jegliche Kleidung, außer, es handelt sich dabei um hochwertige Anzüge.
Dabei gilt, dass die Figur nicht bloß den einen oder anderen leichten Spleen haben – nein: Sie muss bis zum Äußersten ausgespielt werden.
Verschroben, exzentrisch, abstrus, absurd...das sollen die Eigenschaften sein, die eine komische Figur hervorheben, sie lebendig, spannend, interessant machen.   

Und nun machen wir Fehler

Eine große Schwäche von uns Menschen: Wir sehen die Fehler der Anderen, und dadurch wird uns klar, dass wir uns von dieser Person positiv unterscheiden.
Wenn wir einer komischen Figur einen (immer wiederkehrenden) Fehler angedeihen lassen, erreichen wir genau das Beabsichtigte: dass der Leser sich von dieser Figur unterscheidet, dass er über sie lachen kann.
Allerdings sollte man unbedingt darauf achten, welchen Fehler man der Figur mit auf seinem Weg durch das Buch mitgibt. Auf manche Eigenarten reagiert die Leserschaft äußerst empfindlich. So sahen zum Beispiel einige Eltern behinderter Kinder in dem Lied ,,Burli" von der ,,Ersten Allgemeinen Verunsicherung" ein Verspotten besagter Kinder und zogen vor Gericht, um ein Verbot zu erreichen, dass der Song nicht mehr im Radio gespielt werden durfte (zugegeben, es geht hier nicht um einen Fehler im eigentlichen Sinne. Vielmehr werden die Gefahren von KKWs angeprangert. Mit diesem Beispiel aber soll aufgezeigt werden, dass man die Fehler behutsam auswählen soll, immer dabei den Leser  und seine Reaktion im Blick habend)

Und nun zur Gratwanderung: Identifikation

Ich weiß, es wird ein bisschen knibbelig jetzt, sprach ich doch eben davon, dass man Fehler machen soll, dass sich die Figur vom Leser unterscheidet. Und jetzt rede ich vom genauen Gegenteil: modelliere die Figur so, dass man sich mit ihr identifizieren kann.
In jeder guten Geschichte gibt es mindestens eine Figur, mit der der Leser  lachen und weinen, sich freuen und fürchten will, er will seine Neugier, seine innere und äußere Anspannung, seine Gedanken teilen.
Auch eine komische Figur muss so agieren, muss – trotz seines Fehlers oder seiner Fehler sympathisch sein. Und vor allen Dingen: der Leser will und soll die Fehler der Figur verzeihen. Deswegen muss die komische Figur unbedingt menschlich gezeichnet werden. Und ganz wichtig: je mehr Fehler sie hat, desto menschlicher muss sie werden.

Kurzzusammenfassung:
Um eine komische Figur zu kreieren, bedarf es vier Punkte:
Die andere Sicht auf Dinge
Übertreibung
Fehler
Identifikation


Teil 2: Kunstgriffe


Nachdem es gelungen ist, die komische Figur zusammenzuschrauben, kommen wir zu einigen Kunstgriffen, was alles angewendet werden kann, um Humor zu erzeugen.

Der Gegensatz

Eine Regel, um in einem Roman Spannung zu erzeugen, lautet: Schaffen Sie Konflikte.
Ein ähnliches Konzept verwendet man, um komische Situation vorzubereiten, und das ist der (krasse) Gegensatz.
Man kann zum Beispiel ein Landei in eine pulsierende Großstadt stecken, oder einen flippigen Außerirdischen in eine langweilige Familie.
Besonders häufig trifft man den krassen Gegensatz bei Figuren an, die zusammenarbeiten müssen:
Der Chaot und der Penetrant
Der Rabiate und der Zarte
Der Fromme und der Lebemann

Diese und noch viel mehr bieten eine Menge Nährboden, auf dem man Humor aussäen kann.

Was war das denn?

Ein weiterer Clou zum Thema ,,krasse Gegensätze" ist ein Stilmittel, mit dem man als Leser nun überhaupt nicht rechnet. Etwas, was die Logik ad absurdum führt und kein vernünftiger Mensch je machen würde.
Angenommen, ein Haus steht in Flammen, und der Hausherr – gerade so eben mit Ach und Krach der Feuerhölle entkommen, rennt plötzlich wieder rein.
Nun mag man vielleicht denken, er muss noch etwas Wichtiges herausholen. Dokumente vielleicht. Oder vielleicht ein Tier, an dem er hängt.
Wie verwundert mag dann der Leser sein, wenn er erfährt, dass er nur deswegen wieder reingerannt ist, um den Ofen auszuschalten, damit seine Pizza nicht verbrennt.
Martina Hill aus der Sketchcomedy ,,Knallerfrauen" arbeitet sehr häufig mit diesem Stilmittel. Auch wenn die Gags manchmal nicht zünden, so zeigen sie doch recht eindrucksvoll, dass man sehr gut mit dem ,,Unlogischen" spielen kann, mit Reaktionen aufwarten kann, die komisch anmuten und eine Gegenreaktion hervorrufen.

Über kurz oder lang

Angenommen, Sie wollen kochen und würzen das zu Garende oder Bratende so, dass es den Geschmacksknospen schmeichelt.
Haben Sie zuwenig oder zuviel drauf, schmeckt es vielleicht zu fad, vielleicht zu scharf.
Es bedarf also der richtigen Mischung.
Ähnlich verhält es sich mit dem Schreiben witziger Szenen.
Nur geht es hier nicht um Menge, sondern um Länge des Gags. Besser gesagt deren Vorbereitungszeit.
Man kann eine humoristische Szene in die Länge ziehen und so eine Spannung beim Leser erzeugen, der hibbelig auf die Pointe wartet, bis sie dann endlich kommt. Natürlich muss sie dann  auch so gut sein, dass der Leser als Belohnung für sein Warten was sehr Gutes geliefert bekommt.
Aber in manchen Situation sind auch kurze, knackige Gags möglich.
Bei der Länge muss man ein gewisses Fingerspitzengefühl an den Tag legen 

Nicht zum Ersten, nicht zum Zweiten...

Im Humor stellt die 3 etwas Außergewöhnliches dar. Sie baut eine kurze Spannung auf und bietet einen schnellen Abschluss, was sich zudem auch positiv auf die Sprachmelodie auswirkt. Wir Menschen scheine eine Vorliebe für das Spiel mit der 3 zu haben, sie löst etwas in uns aus, erzeugt eine gewisse Anspannung, die nur darauf wartet, in Aktion umgesetzt zu werden.
Denken Sie an den Sportunterricht (zurück), genauer gesagt an die 100-Meter-Rennen. Die Läufer bereiten sich auf den Lauf vor, begeben sich an die Startblöcke, gebeut in Startposition, erheben sich bei ,,Fertig", und beim ,,Los" spurten sie auf und davon.
So ist es auch beim Humor bei der ,,Dreierregel":
Beispiel:
,,Man kann sich mit [Person] sehr gut über die großen Philosophen unterhalten." (Läufer richten sich mental aufs Rennen ein).
,,Sie wissen schon: Kant..." (Läufer gehen an die Startblöcke)
,,...Wittgenstein..." (Läufer erheben sich)
,,...Dieter Bohlen..." (Läufer rennen los/Leser oder Zuhörer lacht).

Das klappt mit diesem Dreier sehr gut, anders sieht es aus, wenn man nur sagt ,,Kant...Dieter Bohlen"
Auch bei vier Namen zieht er nicht mehr so sehr.
Wichtig: Man darf diese Regel nur mit Wissen anwenden, dass allgemein bekannt ist. Wer etwas mit Dieter Bohlen anfangen kann, jedoch noch nie was von Kant oder Wittgenstein gehört hat, der wird den Witz auch nicht verstehen.
Wer stets kommt zur rechten Zeit...

Gerade bei Sitcoms gibt es einen ganz speziellen Kunstgriff, um Lacher zu erzeugen, und diesen Kunstgriff kann man wunderbar auf die Literatur anwenden:

Auftritt nach Stichwort.


Wenn einige Protas in einer Situation stehen, in der keine Katastrophe in Form einer komischen Figur kommen darf, dann tritt sie genau in dem Moment auf, in dem ihr Name fällt.
Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um eine komische Figur handeln. Wichtig ist, dass irgendjemand genau in dem Moment auftritt, wenn man den Namen nennt und dass den anderen so gar nicht passt.   

Schlimmer – geht' s immer

Ein weiterer Kniff des humoristischen Schreibens ist, ein Problem zu lösen – was dummerweise zu einem größeren Problem führt. Löst man dieses, führt dieses zum nächsten, noch größeren Problem. Sehr schön demonstriert wird dies in einem Sketch von Victor von Bülow, bekannt auch unter dem Namen Loriot.
In diesem Sketch wartet er in einem Zimmer auf eine Person, als ihm auffällt, dass ein Bild schief hängt. Also will er dieses wieder gerade rücken, zerstört er nach und nach das Inventar, von klein nach groß


Dies sind jetzt einige Kniffe, um einen humoristischen Text den richtigen Pfiff zu geben. Man muss natürlich immer davon ausgehen, dass man nicht alles anwenden kann und sich aussuchen sollte, welchen dieser Tricks man anwenden sollte, um einen Witz umzusetzen.
Und: Grundsätzlich sollten einige Betaleser hinzugezogen werden, damit getestet werden kann, ob ein Witz funktioniert.
Wenn nicht, dann – auch wenn es hart klingt – Kill your Darlings
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Zit

Ein schöner Einstieg zum Schreiben von Witz.  :jau:

ZitatWICHTIG: Die Welt muss  durch diesen Charakterzug betrachtet werden!

Das verstehe ich nicht ganz. Heißt das, die Figur muss allzeit durch diesen Charakterzug auf die Nase fallen? Gibt es Beispiele dafür?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

gbwolf

Eine interessante Zusammenstellung.
Ohne die Arbeit schmälern zu wollen, habe ich jedoch eine Anmerkung: Was mich besonders interessieren würde, wären Beispiele aus der Literatur. Knallerfrauen oder Sheldon finde ich als Beispiele schwierig, da sie den Humor auch auf eine audiovisuelle Art kommunizieren, die man im Buch fast unmöglich umsetzen kann - deshalb empfinde ich den Workshop momentan eher als Ratgeber für das Schreiben für Fernsehen und Radio.
Vielleicht ist für die nächsten Runden etwas Zeit, die Schwierigkeiten bei Humorfiguren herauszustellen, die nur über Text funktionieren.

Feuertraum

#3
Hallo erstmal!

Zitat von: Zitkalasa am 12. Juli 2014, 00:40:11

Das verstehe ich nicht ganz. Heißt das, die Figur muss allzeit durch diesen Charakterzug auf die Nase fallen? Gibt es Beispiele dafür?

Man muss damit nicht zwangsweise auf die Nase fallen, aber im Grunde genommen ist es tatsächlich so. Und diese Eigenschaft muss auch so bleiben, dass heißt, im Gegensatz zu anderen Figuren darf sich die Figur nicht weiterentwickeln.
Ein Beispiel (das übrigens tatsächlich so passiert ist).
Vor einer Schule wurde eine kleine Säule aufgestellt, die in ein Becken mündete, das mit Sand befüllt war. Dort sollten jugendliche Raucher ihre aufgerauchten Zigaretten werfen. Zum einem, damit sie nicht auf den Boden liegen, zum anderen, damit sie keinen Schaden anrichten können.
Das ein jeder wusste, wofür diese Säule gedacht war, befestigte der Hausmeister ein Schild mit dem Wort "Kippen".
Nur gab es ein Kind, dass den Sinn nicht verstanden hatte und diese Säule umwarf. Man zürnte ihm, und es weinte bitterliche Tränen, weil es nicht verstand, was es falsch gemacht habe. Schließlich stand groß und breit dran "Kippen".
Gut, in diesem Fall darf man nicht von einem Witz sprechen, da das Kind eine psychische Erkrankung hatte und gar nichts dafür kannte, dass es den Begriff "falsch" auslegte.
Ich finde dennoch diese Geschichte niedlich und glaube, man kann sie gut als Beispiel nehmen. Und so agiert dann auch die Figur in jeder Situation, in der es möglich ist.

@ Nadine: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das nicht bedacht habe :schuldig: Ich will versuchen, dass ich auch Beispiele aus der Literatur finde, das wird aber noch ein Weilchen dauern.
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