• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein

Begonnen von Anaya, 19. Oktober 2013, 12:46:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Sven

Was die Regeln angeht, würde ich sie nicht so sehr als REGELN betrachten, sondern nur als Hinweise.
Wenn eine Geschichte nicht funktioniert und man nicht genau sagen kann, woean es liegt, können einem diese Hinweise (also Infodump, Show don't tell, ect.) Aufschluss darüber geben, woran es haken könnte.

Funktioniert die Geschichte, dann sch... auf die "Regeln"!

ABER: Schaut man sich Geschichten von Schreibanfängern an, hapert es dort meist genau den Dingen, die in Schreibratgebern immer angesprochen werden. Daher denke ich, dass Schreibratgeber nie verkehrt sind.

Es wurde auch der "geregelte" Aufbau einer Geschichte angesprochen (also nach dem ersten Viertel sollte der erste Plotpoint kommen, ect.). Auch das sind natürlich recht starre Gebilde, die aber auch ihren Zweck erfüllen.
Um sich das zu verdeutlichen kann man sich Filme als Beispiel nehmen. Gerade im Drehbuchbereich wird eine ziemlich starre Form des Aufbaus empfohlen (z.B. soll nach 30 Minuten etwas passieren, das die Geschichte in Gang setzt, 60 Minuten darf für den eigentlichen Plot verwendet werden, nach 90 Minuten sollte der Showdown beginnen (bei einem 120 Minüter). Schaut man sich die erfolgreichsten Filme an, so halten sich alle an diese Form (die in Wirklichkeit natürlich noch etwas komplexer ist). Die Filme, die floppen, gehen in der Regel eigene Wege.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man damit nicht erfolgreich sein kann, nur dann muss man andere Dinge haben, die besonders gut sind. Die Form dient dem Zuschauer, sich zurechtzufinden. Das kann wichtig sein.

Kenne die Regeln, und nutze sie, wenn es notwendig wird. Ich denke aber, solange man weiß, was man tut, ist man auf einem guten Weg  ;)
Beste Grüße,
Sven

Anaya

Zitat von: Franziska am 20. Oktober 2013, 11:31:25
Ich will mir nicht sagen, ach, der Leser bemerkt diesen Fehler doch ohnehin nicht. Damit macht man es sich ein bisschen einfach, finde ich.

Nicht dass ihr meinen Anfangs-Post falsch versteht!
Ich meinte auf keinen Fall 'Och, der tumpe Normal-Leser frisst ja alles, was man ihm vorsetzt und rafft nicht, wenn es Schrott ist.' Sondern vielmehr, dass Leute, die unvoreingenommen lesen, auf andere Sachen achten! Natürlich werden flach geschriebene Bücher ohne Höhen und Tiefen oder durchsetzt mit Fehlern wahrscheinlich jedem übel aufstoßen. :)
Das ist ein Phänomen, was sich z.B. bei Bookrix gut beobachten lässt.

Vielleicht habe ich einfach die falschen Ratgeber gelesen. Gestern kam mir nun einer unter, der anders ist, als die, die ich bisher kannte. Und was soll ich sagen? Es war, als ob es in meinem Hirn 'klick' gemacht hätte und ich plötzlich einiges begriffen habe. Vielleicht liegt es an der Art, wie er geschrieben ist - keine Ahnung.  ;D




Eleanor

ZitatIch meinte auf keinen Fall 'Och, der tumpe Normal-Leser frisst ja alles, was man ihm vorsetzt und rafft nicht, wenn es Schrott ist.'

Da musste ich gerade unwillkürlich an so manches Buch denken, das ich schon gelesen habe  ;D Das Phänomen: Alle findens toll obwohl es ein tumper Schrott ist, gibt es auch zuhauf  ;) (Ist wahrscheinlich auch Geschmackssache.)

Jetzt bin ich aber neugierig, wie der Ratgeber heißt, den du gerade liest, verrätst du es?  :). Ich habe auch schon den einen oder anderen durch gelesen, war aber eher nachher verwirrter als vorher, was Stil etc. angeht. Zum Beispiel die Regel, dass jede Figur in einem Buch mindestens einen Gegenspieler braucht. Da musste ich sofort anfangen bibbernd sämtliche Protagonisten in meinem Projekt durch zu gehen, ob auch ja jeder einen Gegenspieler hat (wenn nicht ist es ja ein schlechtes Buch  ;)).

Lg
Eleanor

Anaya

Zitat von: Eleanor am 22. Oktober 2013, 10:16:54
Zum Beispiel die Regel, dass jede Figur in einem Buch mindestens einen Gegenspieler braucht. Da musste ich sofort anfangen bibbernd sämtliche Protagonisten in meinem Projekt durch zu gehen, ob auch ja jeder einen Gegenspieler hat (wenn nicht ist es ja ein schlechtes Buch  ;)).

Huch?! Echt?  :o Auf was man alles achten muss ... Da beweist sich wieder, dass man nie auslernt. Weil, davon habe ich noch nie gehört - muss ich zu meiner Schande gestehen.

Dafür kann ich aber mit einem anderen Beispiel aufwarten:
Am Anfang eines Buches steht nicht eine Idee, sondern zwei.
Nämlich der Grundgedanke der Handlung und der Schluss! Wer nur mit einer fabelhaften Idee zu schreiben beginnt, bleibt irgendwo auf der Strecke, weil er nicht genau weiß, wo seine Handlung hingeht - wenn er denkt, das Ende wird sich schon irgendwie zwangsläufig ergeben. Das klingt jetzt ziemlich banal, weil es sich eigentlich von selbst erklären sollte.
ABER! Nach dieser Erkenntnis habe ich mein aktuelles Projekt - das ins Stocken geraten war, weil mein Schluss nur schwammig durchdacht war - mit ganz neuen Augen gesehen. Und erstmal aufgehört, wild meiner Idee nachzujagen, um ein geniales Ende zu planen. :) Jetzt flutscht das wieder mit dem Schreiben.

Den Link zu dem Schreibratgeber habe ich grade an Tinnue weitergegeben. :) Vielleicht taucht er ja demnächst in der passenden Rubrik auf!

Churke

Zitat von: Anaya am 22. Oktober 2013, 10:39:02
Huch?! Echt?  :o Auf was man alles achten muss ...

Nein, muss man nicht.  :engel:
Das Antagonistenmodell ist ein Plotschema, um einen dramatischen Konflikt zu konstruieren, und nach meinem Dafürhalten Ausfluss der simplen amerikanischen Weltsicht. Im Prinzip geht es in einer Story darum, dass der Held ein Riesenproblem an der Backe hat. Dieses Problem zwangsläufig mit einem Oberfiesling gleichzusetzen, ist eher Ausdruck von Phantasielosigkeit: "Beseitigst du den Schurken - beseitigst du das Problem." Man schränkt sich auch in der Entwicklung des Plots ein, weil die dramatische Logik ein ganz bestimmtes Ende erzwingt.

Übrigens... Das Remake von "Conan der Barbar" ist übelster schreibgeratgeberter Mist. Jede (!) Änderung am Originaldrehbuch folgt sklavisch der Ratgeberliteratur. So wurde etwa dem Schurken ein schweres Trauma angedichtet, weil überall steht, dass das einer Figur "Tiefe" verleiht. Oder: Der etwas debile Conan wurde zur charismatischen Identifikationsfigur aufgehübscht.
Wenn ich die Logikbrüche beiseite lassen, haben die es zielsicher geschafft, aus einem kongenial der Literaturvorlage folgenden Meisterwerk einfalls- und geistlose Dutzendware abzukupfern. Hilfe!  :nöö:

Cailyn

Ratgeber sind für mich keine Regeln, sondern eben Rat gebende.

Wenn ich Stellen in meinen Geschichten nicht richtig oder nicht stimmig anfühlen, dann hilft es mir, wenn ich einen Ratgeber zur Hand nehme und mal gewisse Punkte reflektiere. Das heisst aber nicht, dass alles, was ausserhalb der Regeln geschrieben wird, nicht auch funktionieren kann. Naja, natürlich abgesehen von ganz offensichtlichen "Regeln" wie z.B. der Aufbau eines Spannungsbogens oder die Tatsache, dass Figuren mehrdimensional sein sollten, da sonst total langweilig.

Aber du (Anaya) fragst dich ja, ob der Leser das überhaupt merken würde? Ich denke ja. Der "normale" Leser ist häufig nicht bewandt in Stilistik oder Dramaturgie, aber er spürt ja, wenn etwas "komisch" oder "unlogisch" wirkt. Vielleicht kann er das nicht benennen, aber er merkt, dass da was fehlt oder falsch läuft. Dass die Antwort darauf immer in Ratgebern zu finden ist, bezweifle ich. Das kommt dann ganz auf den Ratgeber an. Aber es kann schon helfen, häufig gemachte Fehler aufzudecken.

Kati

Zitat von: EleanorDa musste ich gerade unwillkürlich an so manches Buch denken, das ich schon gelesen habe  ;D Das Phänomen: Alle findens toll obwohl es ein tumper Schrott ist, gibt es auch zuhauf  ;) (Ist wahrscheinlich auch Geschmackssache.)

Ich denke auch, das ist großteils Geschmackssache und ich bin immer gern vorsichtig damit, etwas als tumben Schrott abzutun, nur, weil ich es nicht mag. Ich denke, ob etwas gut oder schlecht ist, kann man objektiv so nicht bewerten, auch nicht, nach den hier aufgelisteten Regeln und Ratschlägen. Ich denke, man kann sagen, dass ein Buch, wenn es in sich selbst nicht schlüssig ist und seine eigenen Regeln bricht, vielleicht nicht so gut ist, aber wenn ein Buch viele Menschen mitreißt, begeistert und ins Schwärmen bringt, dann hat der Autor einiges richtig gemacht, auch, wenn man viele Fehler darin findet. Die findet Ottonormalleser auch, der ist ja nicht doof, aber ich denke, er sieht drüber hinweg, weil der Rest ihn begeistert.

Zitat von: ChurkeIm Prinzip geht es in einer Story darum, dass der Held ein Riesenproblem an der Backe hat. Dieses Problem zwangsläufig mit einem Oberfiesling gleichzusetzen, ist eher Ausdruck von Phantasielosigkeit: "Beseitigst du den Schurken - beseitigst du das Problem." Man schränkt sich auch in der Entwicklung des Plots ein, weil die dramatische Logik ein ganz bestimmtes Ende erzwingt.

Das ist so eine Sache, die mir schon seit Längerem auffällt: Es gibt sehr oft einen total bösen Antagonisten und, wenn der tot ist, ist alles gut. Ich selbst versuche das zu vermeiden, aber ich glaube, es wird von den Lesern auch oft erwartet, dass es jemanden gibt, den man hassen und für alles beschuldigen kann. Dass ein Roman ganz ohne Antagonist auskommt, wage ich zu bezweifeln, aber ein Antagonist muss ja keine Figur sein. Es kann auch ein Problem sein, dass es zu lösen gibt. Aber selbst in Jugendproblembüchern, wo es zum Beispiel darum geht eine Essstörung zu bekämpfen, werden Antagonisten hingestellt. Der eigentliche "Feind" ist in dem Sinne natürlich die Essstörung, aber es gibt sehr oft in solchen Büchern böse Figuren, die den Helden das Leben zusätzlich schwer machen. Warum? Damit der Leser jemanden hat, den er hassen kann? Oder um einen Kontrast zum Helden zu haben, damit der Held noch strahlender hervorsticht im Vergleich zu der bösen Figur?

Was mich dazu interessieren würde: Was genau steht dazu in Schreibratgebern? Raten sie zu einer klaren Struktur mit offensichtlichen Antagonisten und Helden? Weil das ja auch in Leserkreisen immer weniger gern gesehen wird, aber wird einem das geraten?

Grey

Ich oute mich jetzt mal als jemand, der niemals auch nur einen einzigen Schreibratgeber gelesen hat. Ich komme einfach viel besser damit zurecht, mich am Feedback von Kollegen weiterzuentwickeln, von denen ich weiß, die können es besser als ich. Klar habe ich viele der Regeln, die in diesen Ratgebern stehen, auch schon mal gehört. Was mir daran nicht gefällt, ist aber, dass sie so allgemeingültig formuliert sind. Achte auf dies, vermeide jenes. Das passt aber nicht zu meiner (durch Erfahrung erworbenen) Überzeugung, dass jede Geschichte ihre eigene Stimme hat und somit auch auf andere Weise erzählt werden muss. Das ist für mich das aller-allerwichtigste beim Schreiben. Und dabei, diese Stimme zu finden, konnte mir noch keine Regel so recht weiterhelfen.

Thaliope

@Antagonisten: Also ich habe eher von "antagonistischen Kräften" gelesen. Es muss etwas geben, das den Zielen des Protagonisten im Wege steht, soweit so logisch. Aber das muss nicht unbedingt eine Person sein. Die antagonistische Kraft kann auch im Protagonisten selbst liegen, etwas, das in blockiert. (Oft sind Dämonen etc. ja nichts anderes als eine externalisierte Darstellung solcher innerer Widersacher.)

Feuertraum

Zitat von: Kati am 22. Oktober 2013, 17:25:41
Aber selbst in Jugendproblembüchern, wo es zum Beispiel darum geht eine Essstörung zu bekämpfen, werden Antagonisten hingestellt. Der eigentliche "Feind" ist in dem Sinne natürlich die Essstörung, aber es gibt sehr oft in solchen Büchern böse Figuren, die den Helden das Leben zusätzlich schwer machen. Warum? Damit der Leser jemanden hat, den er hassen kann? Oder um einen Kontrast zum Helden zu haben, damit der Held noch strahlender hervorsticht im Vergleich zu der bösen Figur?
Was mich dazu interessieren würde: Was genau steht dazu in Schreibratgebern? Raten sie zu einer klaren Struktur mit offensichtlichen Antagonisten und Helden? Weil das ja auch in Leserkreisen immer weniger gern gesehen wird, aber wird einem das geraten?

Ich kann zwar in diesem Fall nicht aus den Schreibratgebern schöpfen, allerdings aus meiner "Ausbildung" seinerzeit bei der Axel Anderson Akademie.
Dort hieß es: Das Wichtigste, was eine Geschichte immer haben muss, ist Konflikt, Konflikt, Konflikt.
Junge oder Mädchen haben Anorexia nervosa? Konflikt. Aber nur einer. Und damit "nicht so interessant".
Junge oder Mädchen haben neben der Magersucht auch noch einen Feind? 2. Konflikt. Die Sache wird also interessanter.
Im Fall der Jugendbuchproblematik wird auf diese Weise ein vielschichtigerer Charakter aufgebaut und "ins Rennen geschickt".

Was mich jetzt aber interessiert: Wieso sind "Gut gegen Böse" plötzlich ungern gelesen?
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Michaela

#40
Zitat von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38

Es gibt ja nun massenhaft Schreibratgeber von klugen Köpfen, regelrechte Schreibschulen/-seminare und Autoren oder Hobby-Schreiber, die nicht müde werden, angehenden Schreiberlingen zu erklären, wie genau 'das' Buch auszusehen hat.
Da liest man von Infodump und Cliffhangern, Spannungskurven und Perspektiven. Man liest und liest und liest, bis man ganz wirr im Kopf ist und keinen vernünftigen Satz mehr zustande bringt - denn jedes Wort will auf die Goldwaage gelegt und zurechtgerückt werden.

Ja jedes Wort, jeder Satz, jede Zeile und jeder Absatz muss auf die Goldwaage gelegt und zurechtgerückt werden. Ich überarbeite gerade mein erstes Manuskript. Da ich mit dem Überarbeiten kaum Erfahrungen hatte, habe ich mir dafür die Hilfe eines Profis geholt. Seit zwei Monaten hilft mir Mara Laue jetzt schon mein Manuskript auf Herz und Nieren zu überprüfen. Und genau das kam dabei heraus.
Eine gute Geschichte zu schreiben braucht mehr als nur einen toll ausgearbeiteten Protagonisten und eine schöne Idee. Du musst sie auch zum Leben erwecken können und das machst Du in einer Geschichte eben nur mit Wörtern. Hier im Forum gibt es viele Autoren die darüber sicher ein Lied singen können. Manchmal sitzt man Tage an nur einem Satz, bis dieser richtig klingt. Deine Geschichten haben ja auch einen Erzähler und der sollte eine eigene Stimme haben, die den Leser durch die ganze Geschichte trägt. Da reicht ein falsch gewähltes Wort, das nicht zu dieser Erzählstimme passt um den Lesefluss zu unterbrechen.
Hast Du schon einmal ein Buch gelesen und mittendrin bist Du plötzlich ins Schleudern gekommen? Das ist immer ärgerlich und passiert es zu häufig in einer Geschichte, legt man das Buch irgendwann frustriert zur Seite.

Cailyn

Hallo Feuertraum,
Dass "Gut gegen Böse" nicht mehr so beliebt ist, hat sicher mit dem Bewusstsein zu tun, dass es halt selten nur gute oder nur böse Menschen gibt. Auch jeder Bösewicht hat seine Geschichte, seinen Grund, warum er so geworden ist. Und auch die liebreizendste und netteste Person hat ihre Abgründe. Figuren werden somit natürlich interessanter, vielschichtiger und man hat hier als Autor mehr Möglichkeiten, die Variationen des Lebens zu zeigen, als wenn es nur heisst: Gut gegen Böse. Warum das gerade jetzt von vieles Lesern (oder auch TV- und Filmfans) gerne gelesen und geschaut wird, ist mir auch nicht klar. Vielleicht hat sich das Gedankengut in unserer Gesellschaft etwas verändert. Vielleicht hat aber auch nur einer mal damit angefangen, das Gut-Böse-Thema anders darzustellen, und seitdem finden das Leser eine Bereicherung.

Churke

Zitat von: Feuertraum am 22. Oktober 2013, 20:58:01
Dort hieß es: Das Wichtigste, was eine Geschichte immer haben muss, ist Konflikt, Konflikt, Konflikt.

Wenn Sie einen Plot mit Konflikten aufladen, verzetteln Sie sich schnell auf Nebenschauplätzen und lenken womöglich von Ihrem eigentlichen Thema ab. Man beobachtet das regelmäßig in amerikanischen "Katastrophenfilmen", wo der Weltuntergang die Kulisse bildet für Vater-Sohn-Konflikte, zerrüttete Ehen, Machtkämpfe usw..

Zitat von: Cailyn am 23. Oktober 2013, 10:13:36
Gut gegen Böse. Warum das gerade jetzt von vieles Lesern (oder auch TV- und Filmfans) gerne gelesen und geschaut wird, ist mir auch nicht klar.
Ich behaupte, es liegt an der Amerikanisierung.
Vor der Produktion ihre Meisterwerks K-19 verhandelte Kathryn Bigelow mit einem Hollywood-Studio über die Finanzierung. Die Jungs ließen sie eine Weile erzählen und fragten dann: "Und wo sind die Guten? Wo sind die Amerikaner?"
Da es in K-19 keine "Guten" gibt, kam man nicht ins Geschäft.  ::)



Cailyn

Churke,
:rofl: Ja, diese Amis. In deinem Beispiel stimmt das wohl.
Aber es gibt ja auch andere Beispiele, bei denen sogar die Amis die Sucht nach dem altbewährten Schema Gut und Böse aufgeben: Game of Thrones, Boardwalk Empire und auch Breaking Bad. In diesen Bücher und Serien gibt es kaum DIE Guten oder DIE Bösen. Es sind einfach alles ziemlich verlorene Seelen...

Nandriel

So, es ist passiert – ich habe vorhin einen ,,Roman" hierzu verfasst gehabt, nur um kurz vor der Fertigstellung das Kunststück zu vollbringen, das Fenster zu schließen. Alles futsch. War ja klar. Bin genervt. Schreibe aber noch mal, oder versuche es zumindest...


Wie schön, dass ich diesen Thread gefunden habe, denn mit genau dieser Frage habe ich mich auch gerade mal wieder auseinandergesetzt (übrigens ebenfalls im Zusammenhang mit Rezensionen, was ja auch zu Anayas Eingangspost geführt hat):

Zitat von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38
[...]
Im Grunde ist mir schon klar, dass Menschen, die sich viel mit dem Schreiben befassen, anders lesen als Otto-Normalkonsument. Aber schreiben wir nicht zum größten Teil für genau den?

Ich denke, 'normale' Leute lesen ohne viele Hintergedanken und beurteilen ein Buch einfach danach, ob ihnen die Schreibweise zusagt, ihnen die Handlung spannendes Lesevergnügen bereitet und die Charaktere ihre Sympathie haben.
[...]

Ich zähle mich ja nun zu denjenigen Lesern, die sich berufsbedingt auch mit Geschriebenem befassen, sei es die Literatur ,,großer" Autoren oder aber die Aufsätze von Schülern (hier völlig wertfrei und nicht kontrastierend gemeint). Ich frage also immer auch nach dem warum (war etwas spannend, mochte ich die Charaktere etc.).

Der Vergleich hinkt zwar ein wenig, aber nehmen wir als Beispiel mal die Werbung. Diese zielt ja darauf ab, dass ein potentieller Kunde von der Notwendigkeit überzeugt werden soll, dass er ein Produkt (oder auch eine Dienstleistung etc.) unbedingt braucht. Hierfür wenden die Werbemachenden alle ihnen zur Verfügung stehenden Tricks an – sie manipulieren, was das Zeug hält. Sie kennen die psychologischen Tricks, wissen, wie das Belohnungszentrum im Hirn funktioniert oder wie man Bedarf suggeriert, wo gar keiner ist (in wiefern das moralisch akzeptabel ist, sei mal dahingestellt).
Und das Fiese daran: Es funktioniert. Immer? Nein. Aber wenn die Werbung auf mich (als Zugehörige einer bestimmten Zielgruppe) halbwegs zugeschnitten ist, dann meist schon. Und das, OBWOHL ich mir der Mechanismen und der Manipulation meist bewusst bin.

Übertragen wir das mal auf das geschriebene Wort, ich bemühe Herrn Martin dafür:
Im ersten (bzw. den ersten beiden deutschen) Buch hat der Autor einen Antagonisten aufgebaut, den ich aus tiefstem Herzen hassen konnte. Ich habe ihm die Pest an den Hals gewünscht und auch vor moralisch fragwürdigen Mordgelüsten nicht zurückgeschreckt. Im zweiten Buch dann wird besagter Antagonist plötzlich Perspektivträger – und Martin beraubt mich meiner Hassgefühle. Plötzlich sind da nachvollziehbare Motive, Traumata, verständliche Emotionen. Ich kann nicht mehr hassen, und muss darüber hinaus sogar noch meine eigenen Wertvorstellungen überdenken, denn ich bringe plötzlich für jemanden, der etwas Fürchterliches getan hat, so etwas wie Verständnis und Mitgefühl auf. Danke, Herr Martin, dass ich meine schöne Projektionsfläche für negative Gefühle nun nicht mehr habe -.-

Ich behaupte mal, dass es den allermeisten Lesern ähnlich ergangen sein dürfte, und zwar unabhängig davon, ob sie sich mit dem Schreiben an sich genauer befasst haben oder nicht. Worin liegt also der Unterschied?

Nun, für Martin dürfte es wohl keinen Unterschied machen, da seine Manipulation, die subtile Lenkung des Lesers und dessen Meinung hervorragend funktioniert, so oder so.
Für mich persönlich aber macht es einen Unterschied, denn ich will wissen, wie er das macht. Ich will die Tricks kennen lernen und entlarven, die sprachlichen Mittel, den Aufbau. Für mich ist das ein bisschen wie Detektivarbeit, wahrscheinlich hat mir deshalb schon immer das Analysieren im Deutschunterricht am meisten Spaß gemacht.
Den größten Unterschied aber macht es für mich als Hobbyautorin, denn um derartige Kniffe anwenden zu können, um also eine gewisse beabsichtigte Wirkung beim Leser hervorzurufen, muss ich diese

1.   überhaupt erst einmal (er-)kennen (--> ok, das kann ich ganz gut)
2.   selbst anwenden können (und hier hapert es leider gewaltig)

Woher aber kriege ich dieses Know-How? (*auf sich selber zeigt*) Z.B. aus dem Deutschunterricht.
Und natürlich aus Schreibratgebern. Von denen gibt es mittlerweile beinahe so viele wie Sand am Meer. Ich kenne nur sehr wenige davon, hatte relativ schlechte (weil für mich nicht ansprechende), recht gute (weil informative / hilfreiche) und sogar ein paar wenige sehr gute (weil genau auf mich passende) in den Fingern. Ich behaupte mal, dass das ähnlich ist wie mit den eigenen Genrevorlieben. ,,Gut" ist also relativ, denn das vermittelte Handwerkszeug ist ja im Grunde immer das gleiche.

Brauch ich das denn? Ich behaupte: Wenn ich bewusst eine bestimmte Wirkung an einer bestimmten Stelle hervorrufen will, dann ja. Wenn ich sicherstellen will, dass es ,,funktioniert", weil es die Psychologie des Lesers mit einbezieht, dann ja. Oder mit Churkes Worten:
Zitat von: Churke am 19. Oktober 2013, 13:41:17
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Buch gefällt, dürfte signifikant höher sein, wenn es den "Regeln" entspricht. [...]
Ich sagte ja, ich kann mich nicht kurz fassen ;)

Coehoorn meinte jedoch:
Zitat von: Coehoorn am 19. Oktober 2013, 15:39:24
Ich kann diesen ganzen Ratgebern ehrlich gesagt nichts abgewinnen.
[...]
Wenn du Talent hast, dann wirst du das schon richtig machen.
Man kann sich natürlich auch verrückt machen, aber diejenigen, die aus dem Bauch heraus schon alles ,,richtig" machen, die Story also wie gewollt ,,funktioniert", dürften dann doch sehr selten sein. Die große Mehrheit der Autoren (mich inklusive) muss sich solche Mechanismen immer wieder bewusst machen – oder dies den Profis anvertrauen, sprich den Lektoren (womit ich allerdings keine Erfahrung habe).

Zitat von: Remy am 19. Oktober 2013, 16:24:06
[...] Ich denk da zurück an das, das man so als die großen literarischen Meisterwerke bezeichnet und denke mir, die hatten auch keine Ratgeber.
[...]
Andererseits muss man auch den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Grenzen zu testen und mal einfach seinem Gefühl folgen. Wer zu nah an solchen Ratgebern entlang schreibt, habe ich zumindest das Gefühl, wird kaum etwas kreieren, was noch nicht da war. (Ob das in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist sei dahingestellt.)
[...]

Tja, Ratgeber im eigentlichen Sinne gab es vielleicht noch nicht, aber wenn man sich z.B. mal den Briefwechel zwischen Goethe und Schiller anschaut, dann haben diese Herren sehr wohl ganz klare Regeln für das Verfassen literarischer Werke aufgestellt. Gut, meist waren sie es, sie haben sich also nicht an gängige oder zuvor existente Vorgaben (die teilweise ebenfalls von ihnen verfasst worden waren!) gehalten.
Als Anekdote am Rande: In seiner Rezension zu Bürgers Gedichten verreißt Schiller seinen Zeitgenossen regelrecht. Seiner Meinung zugestimmt hat (meines Wissens nach) öffentlich allerdings kaum jemand, und zu Lebzeiten war Bürger wohl weitaus populärer als der berühmte deutsche Vorzeige-Dichter selbst. Tja, so kann's gehen ;)

Ansonsten halte ich es mit Antigone:
Nur wer die Regeln kennt, kann sie bewusst brechen – und somit mit dem Leser, seinen Emotionen und Reaktionen spielen.

Da ich Vollpfosten gerade merke, dass beinahe alles, was ich eigentlich schreiben wollte, so ähnlich bereits genannt worden ist (sorry dafür!), spare ich mir also weitere Kommentare. Ein Ratgeber hatte mir allerdings wirklich sehr geholfen, ich glaube aber, dass das nicht in diesen Thread gehört :)

Und nu is das doch wieder ein Roman geworden, hmpf -.-