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Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: flowrite am 07. September 2017, 22:23:00

Titel: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: flowrite am 07. September 2017, 22:23:00
Nicht dass ich sagen könnte, ein neues Schreibprojekt gediehe unter meinen Fingern ... anderweitig bin ich über einen für mich komplizierten, für euch hoffentlich interessanten Kommafall gestolpert: Würdet ihr ein Komma setzen im Satz
ZitatBitter enttäuscht[,] kämpfte sie mit den Tränen
?

Ich würde, was auch immer der Duden sagen mag. Der scheint da allerdings beides zu erlauben (Aufl. 23, "K 114"). Anders sähe es kurioserweise aus mit dem folgenden, in seiner grammatikalischen Struktur gleichartigen Satz, wo ich ebenso eindeutig kein Komma setzen würde:
ZitatBitter enttäuscht zog sie vondannen.

Ein Erklärungsversuch: In beiden Fällen habe ich ein adverbiales Partizip vor mir. Im ersteren Fall fungiert es allerdings mehr als verkürzter kausaler Nebensatz ("Warum kämpft sie mit den Tränen?" – "Weil sie bitter enttäuscht ist"), während es im zweiten Fall eher die Art und Weise vorhebt, also vielmehr einem echten Adverb ähnelt: "Wie zog sie vondannen?" – Bitter enttäuscht = Mit hängenden Schultern, schlurfendem Schritt und gesenkten Lidern.

Auch wenn ich mir diese Frage nicht aus konkretem Anlass stelle, sondern weil ich mir bisher eigentlich immer recht kommasicher vorkam und mich das wurmt, erlaube ich mir einfach mal in die Runde zu fragen, wie ihr das seht.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Alana am 07. September 2017, 22:28:59
Lustigerweise ist ersterer Fall der, bei dem es mir häufiger passiert, dass mir ein Koma entkommt, dass ich gar nicht setzen wollte. Also irgendwas scheint da dran zu sein. ;D Allerdings lösche ich das immer wieder, denn für mich sieht es falsch aus und stört vor allem den Lesefluss, weil es den Satz in meinen Augen grundlos unterbricht.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Soly am 07. September 2017, 23:38:57
Also dass da ein Komma hindürfen soll, erscheint mir seltsam. Als Leser würde ich bei so einem Satz immer vom Modaladverbial ausgehen, da würde ein Komma eher den Lesefluss stören.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Sascha am 08. September 2017, 09:06:09
Deine Unterscheidung der beiden Beispiele kapiere ich nicht. Sie kann doch genauso gut von dannen ziehen, weil sie eben enttäuscht ist.
Und ich würde da nie ein Komma setzen, da es für mich nur eine Beschreibung des Subjekts ("sie") ist. Wenn ich in solchen Konstrukten Kommata lese, stolpere ich immer drüber.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Appletree am 08. September 2017, 10:12:51
Ich schließe mich an, dass Komma würde mich beim Lesen rausfallen lassen.

Diese Unterbrechung ergibt für mich, egal was der Duden sagt, an der Stelle keinen Sinn.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Churke am 08. September 2017, 10:53:21
Zitat von: Sascha am 08. September 2017, 09:06:09
Deine Unterscheidung der beiden Beispiele kapiere ich nicht. Sie kann doch genauso gut von dannen ziehen, weil sie eben enttäuscht ist.

Ich denke, flowrite geht es darum, dass beides unterschiedliche grammatische Konstruktionen sind, obwohl sie gleich aussehen.
In "bitter enttäuscht, kämpfte sie mit den Tränen" könnte man das Partizip als gleichgeordnete Reihung betrachten. Die Tränen als Steigerung der Enttäuschung. Das Komma soll dies deutlich machen.
Vielleicht fällt uns das Komma auch nur auf, weil der Satz isoliert steht und wir den Zusammenhang nicht kennen.  :hmmm:

Beim zweiten Beispiel müsste man eine Gleichordnung mit der Brechstange herbeikonstruieren. Was ich damit sagen will: Es ist die Semantik, die über das Komma entscheidet.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Appletree am 08. September 2017, 11:06:45
Zitat von: Churke am 08. September 2017, 10:53:21
Zitat von: Sascha am 08. September 2017, 09:06:09
Deine Unterscheidung der beiden Beispiele kapiere ich nicht. Sie kann doch genauso gut von dannen ziehen, weil sie eben enttäuscht ist.

Ich denke, flowrite geht es darum, dass beides unterschiedliche grammatische Konstruktionen sind, obwohl sie gleich aussehen.
In "bitter enttäuscht, kämpfte sie mit den Tränen" könnte man das Partizip als gleichgeordnete Reihung betrachten. Die Tränen als Steigerung der Enttäuschung. Das Komma soll dies deutlich machen.
Vielleicht fällt uns das Komma auch nur auf, weil der Satz isoliert steht und wir den Zusammenhang nicht kennen

Auch, wenn ich mich nun möglicherweise blamiere:
Aber mir geht das nicht auf.

Wenn, dann höchstens so:

"Bitter enttäuscht, kämpfte sie die Tränen zurück"

Das 'klingt' immer noch ... naja. Aber so würde ich das wohl eher akzeptieren, wenn sich der erste Teil auf die Tränen bezieht.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Aphelion am 08. September 2017, 11:53:46
Ich würde ebenfalls in beiden Fällen kein Komma setzen. "Enttäuscht" nehme ich in diesem Satz nicht als Partizip wahr, jedenfalls nicht in erster Linie. Damit ich "enttäuscht" als Partizip lese, müsste der Satzteil anders konstruiert oder zumindest länger sein, z.B.:

ZitatÜber diese Niederlage bitter enttäuscht, kämpfte sie mit den Tränen.

In diesem Satz ist das Komma allerdings ebenfalls optional.

Im ersten Beispiel kann "enttäuscht" auch ein normales Adjektiv darstellen. Als normales Adjektiv ist das Wort sogar gängiger und wird im Duden auch so aufgeführt (http://www.duden.de/rechtschreibung/enttaeuscht). Deshalb lesen die meisten es vermutlich intuitiv als Adjektiv, wenn der Satz so kurz ist wie in deinem Beispiel.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Soly am 08. September 2017, 17:00:26
Zitat
Über diese Niederlage bitter enttäuscht kämpfte sie mit den Tränen.

Auch hier ergibt das Komma für mich keinen Sinn. Alles vor "kämpfte" ist ein großes Adverbial und nach normalen Adjektiven - die ja eigentlich den gleichen Stellenwert haben - setzt man doch auch kein Komma.
Die einzige Satzkonstruktion, die ein Komma legitim machen würde, ist
Zitat
Ob dieser Niederlage war sie bitter enttäuscht, kämpfte sie mit  den Tränen.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Aphelion am 08. September 2017, 20:11:56
@Solmorn

flowrite hat im ersten Beitrag ja schon die Kommaregel (K114) für Partizipien angegeben. :) Ich habe (wie ich im obigen Beitrag auch geschrieben habe) nur ein Beispiel für einen Satz genannt, wo ich die Konstruktion überhaupt (vorrangig) als Partizip bzw. als Partizipgruppe lesen würde.

Du musst wie gesagt kein Komma setzen, das ist optional.

Dein Beispiel eliminiert das Partizip (und in meinen Augen ist der Satzbau nach dem Komma falsch, aber das führt jetzt völlig vom ursprünglichen Thema weg ;)). Ohne Partizip greift natürlich die Kommaregel für Partizipien nicht mehr, d.h. die Grammatikfrage ist dann eine völlig andere.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: flowrite am 12. September 2017, 11:29:07
Hey, Sascha,

ZitatDeine Unterscheidung der beiden Beispiele kapiere ich nicht. Sie kann doch genauso gut von dannen ziehen, weil sie eben enttäuscht ist.

Da hast du sicherlich recht. Ich vermute, dass ich von Französisch, dem Schulfach mein ich, verunsichert wurde. Die Franzosen haben ja oft so satzinitiale Nebensätze mit einem Partizip: Dépitée, elle se battait contre les larmes. (Wenn ich mein Schulfranzösisch noch richtig im Kopf habe; Viererabitur. :( )

Auch lieben Dank den anderen für die Beiträge. Ich sollte mit der Kommasetzung also kritischer sein. Weniger ist manchmal mehr.


Viele Grüße
-- flowrite
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Sonnenblumenfee am 12. September 2017, 13:47:14
Ich habe keine Regel dafür an der Hand, obwohl ich sonst einigermaßen Kommata-firm bin, aber ich würde jedenfalls in der von Apehlion genannten Abwandlung ein Komma setzen. Bei den anderen Varianten bin ich mir gerade nicht sicher, tendiere aber auch eher gegen das Komma. In der Aphelion-Variante ist es einfach die Länge des Satzes und die Atempause, die ich da automatisch beim Lesen mache, die für mich das Komma sinnvoll werden lässt, auch wenn ich mir bewusst bin, dass das keine Regeln sind.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Zit am 12. September 2017, 20:07:53
Ich würde Aphelions Beispiel eher so sehen, dass es sich um zwei Hauptsätze handelt und ein Komma daher ganz gut ist an der Stelle.

Im Ausgangssatz sehe ich eher einen Tausch der Satzteile: "Sie zog bitter enttäuscht von dannen." (MMn heißt das auch, dass "bitter enttäuscht" die Frage auf "Wie zog sie von dannen?" ist, und nicht "Warum?".) Insofern würde ich da kein Komma setzen.
Titel: Re: Freiheiten der Kommasetzung bei Adverbialbestimmungen
Beitrag von: Sanjani am 17. Februar 2018, 18:54:55
Hallo zusammen,

auf der Suche nach einer Lösung für mein Problem - hmmm, muss hier ein Komma hin? :) Also auf der Suche bin ich auf diesen Thread gestoßen. Ich glaube, ich hab eine ähnliche Konstruktion, fand die Erklärungen hier aber eher verwirrend als hilfreich. Ich kenn mich eigentlich mit Kommata aus, steh aber gerade total auf dem Schlauch. Folgendes habe ich gerade geschrieben:

Zitat
Wie vertraglich vereinbart, erhalten Sie die entsprechende Entschädigungssumme von uns.

Ich hab erst ein Komma hingesetzt, aber beim zweiten Lesen kam es mir fehl am Platz vor. Muss da nun eins hin oder nicht? Kann mir jemand helfen?

Dank und Gruß