Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Thema gestartet von: kathy am 20. Januar 2018, 16:03:55

Titel: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: kathy am 20. Januar 2018, 16:03:55
Hey,
ich habe mal eine Frage an euch, weil es mich interessiert, wie ihr mit manchen Themen umgeht.

Einige bekannte Autoren, die auch sehr erfolgreiche Bücher veröffentlicht haben, wie beispielsweise den Steppenwolf, haben ja in diesen Büchern ihre eigenen Probleme verarbeitet.
Wie ist das bei euch, verarbeitet ihr eure eigenen Probleme in der Story oder in Charakteren eures Buches?

Viele Grüße und ein schönes Wochenende  :),
Kathy
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Angela am 20. Januar 2018, 16:46:14
Ich lasse kurze Passagen einfließen, schräge Gespräche, seltsame Erlebnisse, aber ich schreibe nichts, was ernsthaft mit meinem Leben zu tun hat.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Trippelschritt am 20. Januar 2018, 16:54:48
Nein, zur Selbsttherapie benutze ich meine Geschichten nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Denamio am 20. Januar 2018, 17:28:59
Indirekt und unbewusst. In einer meiner Geschichten wird ein ungewünschter Teenager abgeschoben und landet bei einer Zauberhexe, die vor lauter Starrsinn und kurzer Zündschnur kaum mit Leuten zurechtkommt. Nach viel hin und her und dem großen Showdown mit dem Fiesling, kommt dann der Epilog. Sie hilft ihm dabei seine Eltern zu konfrontieren. Alles deutet darauf hin, dass sie die Eltern verprügeln wird - aber er hält sie zurück und rechnet verbal mit ihnen ab und erkennt, dass er keine Schuld daran hat, dass seine Eltern ihn nicht mochten.

Als die Szene fertig war, da war ein komisches Gefühl in der Magengrube und es fühlte sich gut und richtig an. Erst als meine Freundin drüberlas und das ansprach, realisierte ich wie sehr das eigentlich eine Abrechnung mit MEINEN Eltern war.

Will heißen: Bewusst würde ich es nicht machen, aber unbewusst schiebt es sich an den richtigen Stellen von alleine in die Geschichten. Geholfen hat es schon, weil diese Aussprache nie kam und nie kommen wird. Es war quasi ein Aufstellen von Pappfiguren die ich umwerfen konnte. Probleme hingegen gelöst - nee, das hat es nicht. Es war nur ein Schritt von vielen.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Guddy am 20. Januar 2018, 17:39:21
Nein. Ich fokussiere mich da auf die Probleme Anderer. Meine eigenen Probleme ignoriere ich eh meistens.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Waldhex am 20. Januar 2018, 18:03:16
Also ich würde jetzt auch sagen, dass meine Bücher keine autobiographischen Züge haben. Unbewusst kann da natürlich schon mal was einfließen.
Allerdings hat mein Lektor (also mein Ehemann) bei meinem im März erscheinenden Kurzroman sich schon sehr stark in den Hauptcharakter einfühlen können und ein paar Szenen ergänzt; auch nicht wirklich autobiographisch, aber wie gesagt, er hat sich schon sehr stark angesprochen gefühlt. Ich finde, dass der Roman davon sehr stark profitiert hat.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 20. Januar 2018, 18:16:30
Nicht in der Prosa und nicht bewusst, aber in der Lyrik oft. Dann aber so stark verschlüsselt, dass sich auch andere darin wiederfinden können.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Alina am 20. Januar 2018, 19:42:39
Vor ein, zwei Jahren hätte ich noch behauptet, meine Geschichten hätten keinen Bezug zu meinem eigenen Leben. Inzwischen entdecke ich da aber schon Parallelen zu eigenen Erlebnissen. Zum Beispiel die Beziehung von zwei Brüdern in meiner Geschichte, die am Ende doch dem Verhältnis, dass ich zu meiner Schwester habe, in mancher Hinsicht ähnelt ...

Ob ich damit irgendwas verarbeite? Keine Ahnung. Vielleicht ist es auch einfach so, dass ich mir manchmal unwillkürlich Konstellationen von Beziehungen aussuche, die ich aus eigener Anschauung kenne ...
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Antigone am 20. Januar 2018, 20:05:52
Ich habe sicher schon das eine oder andere persönliche Erlebnis, eine Erfahrung oder eine Eigenschaft in eine Romanfigur eingebaut. Aber Probleme habe ich - wissentlich - noch nie im Schreiben verarbeitet, und es wäre mir eigentlich auch sehr unangenehm, wenn man "mich" in meinen Geschichten wiederentdecken würde oder könnte.

Ganz im Gegenteil, ich halte gerne flammende Reden, dass die Geschichten tatsächlich vollkommen erfunden sind und rein gar nichts mit dem Autor zu tun haben.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: KaPunkt am 20. Januar 2018, 20:57:13
Verschiedene Punkte:

1. Jeder soll schreiben, was er mag und wo er Lust drauf hat, oder was ihm gut tut. Ich muss das aber nicht alles lesen. Und Geschichten, wo jemand nur seine eigenen Probleme aufarbeitet interessieren mich in 99% der Fälle nicht. (Ich habe selbst schon zur Verarbeitung geschrieben, aber das wird niemals das Öffenlichkeit sehen.)

2. Keine einzige Reaktion hat mich so geärgert wie ein Arbeitskollege, der mir nach Lektüre eines meiner Romane tief in die Augen blickte und etwas sagte in der Art von: "Jetzt weiß ich endlich, wer du bist." - Nein, du hast einen einzigen Roman gelesen, mit rein fiktiven Figuren. Idiot.

3. Was natürlich nicht heißt, dass nicht gelegentlich unbewusst, wie die anderen ja auch schon geschrieben haben, Dinge einfließen, die mir im Nachhinein dann doch auffallen. Aber vermutlich - hoffentlich - niemanden sonst. Und die fließen auch nicht nur in die Hauptfiguren ein, oder die Guten. Ich stecke genauso in den Antagonisten, in den Sidekicks, und den Nervensägen.

4. Dann mache ich mir auch noch gelegentlich einen Spaß draus, Geschehnisse aus meinen Leben - weniger Anekdoten, sondern Atmosphären, Erlebnisse oder Erinnerungen, die mich geprägt haben - in meine Fantasy-Welten zu übersetzen. Ich warte dann immer gespannt, ob jemand, mit dem ich diesen Erfahrungen teile, die Anspielung entdeckt. Ist bisher erst einmal passiert.  ;D

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Hochkogler am 20. Januar 2018, 21:36:18

Ist es überhaupt möglich diese Problemverarbeitung abzustellen?

Ich denke der Charakter eines Menschen entsteht im Laufe seines Lebens durch eben jene Probleme. Manche werden gelöst, andere können nicht gelöst werden, andere wollen es nicht sein.

Aber mit jeder Erfahrung wächst man als Mensch, und dieser Mensch schreibt dann wiederrum eine Geschichte. Also fließen Probleme zwangsläufig in einen Roman ein, finde ich zumindest.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: kathy am 20. Januar 2018, 21:49:00
Es ist sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich mit der eigenen Person in den Büchern umgegangen wird.

Bei mir ist es meistesn so, dass ich meine persönlichen Probleme in der Handlung und in den Charakteren verarbeite, allerdings sind dabei die Probleme nicht eins zu eins übernommen, sondern es spiegelt eher in teilweise verstörenden Elementen meine Probleme.

@KaPunkt , das Problem, dass Leute nach Lesen der Bücher denken, sie würden einen kennen, ist wirklich ein verärgendes Gefühl, außerdem kann es zu wirklich seltsamen Blicken auf eine Person führen.

@Protoxin ich denke nicht, dass es komplett möglich ist, die Problemverarbeitung einzustellen, aber sie kann unterschieldich stark ausgeprägt sein.

Viele Grüße,
Katharina Stadler
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: HauntingWitch am 21. Januar 2018, 13:11:06
Ich muss zugeben, ich bin ein wenig erstaunt, dass so viele hier schreiben, das nicht (bewusst) zu tun. Ich dachte immer, alle machen das. Egal, das soll jeder so halten, wie er möchte. Meine Antwort auf diese Frage ist: Ja, natürlich! Zwar sind meine Charaktere nicht ich und ich übertrage meine persönlichen Erlebnisse auch nie eins zu eins (das könnte ich gar nicht), aber ich verarbeite sehr wohl eigene Erfahrungen und Probleme in meinen Geschichten. Das war schliesslich der ursprüngliche Grund, warum ich überhaupt irgendwann mit Schreiben angefangen habe. Einige bekannte Autoren machen das ja anscheinend auch (obwohl man da natürlich nie genau weiss, ob das stimmt).

ZitatWas natürlich nicht heißt, dass nicht gelegentlich unbewusst, wie die anderen ja auch schon geschrieben haben, Dinge einfließen, die mir im Nachhinein dann doch auffallen. Aber vermutlich - hoffentlich - niemanden sonst.

Ich denke nicht, dass das jemandem auffällt. Die meisten Leser kennen einen ja nicht persönlich und wissen daher nicht, was davon nun mit dem eigenen Leben zu tun hat und was nicht. Und jene die es wissen, also jene, die einen kennen, wissen es vermutlich auch so. Diesbezüglich bin ich recht rational.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 21. Januar 2018, 14:08:46
ZitatIch muss zugeben, ich bin ein wenig erstaunt, dass so viele hier schreiben, das nicht (bewusst) zu tun. Ich dachte immer, alle machen das.
Ich verstecke um ehrlich zu sein lieber Eastereggs als Probleme in meiner Prosa.
Klingt bescheuert, aber mir bereitet es eine diebische Freude, für genau EINE Leserin verständliche Insider reinzuschmuggeln oder so. Also es gibt durchaus Hinweise auf mein reales Leben, aber die sind eher zum Schmunzeln.
Und ich spiele gerne damit, dass Leser*innen denken könnten, ich würde über meine eigenen Erlebnisse schreiben. So wie bei "Zarin Saltan", wo es einige Überschneidungen zwischen den Biografien gibt, diese aber wenn man mich kennt, wieder so gering sind, dass man sich wundert.

Wenn ich mein Seelenleben verarbeite, dann wie gesagt wirklich ausschließlich mit Lyrik. Liegt aber auch daran, dass mir meine Probleme oft sehr banal vorkommen. Ja, ich habe Alltagsrassismus und Mikroagressionen erlebt, aber das belastet mich nicht (mehr) so stark, dass ich es in Prosa einarbeiten müsste, um damit fertig zu werden. Auch Themen wie Mobbing spielen in meinen Büchern eine untergeordnete Rolle, obwohl ich selbst einiges in der Hinsicht erlebt habe. Und ich kann nicht mal sagen, warum. Mir fällt auch auf, dass ich alle möglichen queeren Identitäten in meinen Romanen habe - nur nicht meine eigene.
Insofern ist das angestoßene Thema durchaus interessant, da ich mich gerade frage, warum ich mein Erleben so konsequent aus meiner Prosa fernhalte.

Dichten dagegen fühlt sich anders an. Das ist manchmal, als würde man eine schlecht verheilte Wunde noch mal aufpieksen, damit der ganze Schmerz raus kann und es in der Lage ist, zu heilen. Da kann ich das. Aber nicht in der Prosa. Da steckt zwar viel von mir als Person, aber wenig von meinem Alltag.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: phoe am 21. Januar 2018, 15:19:22
Zitat4. Dann mache ich mir auch noch gelegentlich einen Spaß draus, Geschehnisse aus meinen Leben - weniger Anekdoten, sondern Atmosphären, Erlebnisse oder Erinnerungen, die mich geprägt haben - in meine Fantasy-Welten zu übersetzen. Ich warte dann immer gespannt, ob jemand, mit dem ich diesen Erfahrungen teile, die Anspielung entdeckt. Ist bisher erst einmal passiert.  ;D
Das mache ich auch gern. Kleine Anekdoten oder Erlebnisse, aus meiner Vergangenheit. Wenn ich zum Beispiel etwas schreibe, was einige Familienmitglieder oder Freunde miterlebt haben, dann werde ich deswegen schon angesprochen. Meistens freuen sie sich, wenn ich so kleine Episoden einbaue und sie die wiedererkennen. Und ich freue mich auch, weil sie dann tatsächlich etwas von mir gelesen haben.  :D

Direkt Probleme zu verarbeiten habe ich einmal versucht. Aber auch nur, weil man mir empfohlen hatte es tun, damit ich damit abschließen kann oder zumindest besser klarkommen. Die Geschichte finde ich heute noch grottig, obwohl sie sogar bei einer Ausschreibung gewonnen hatte. Für mich war es ein Versuch, etwas Neues auszuprobieren, allerdings für mich persönlich nicht praktikabel.

Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Trippelschritt am 21. Januar 2018, 15:25:31
Die Diskussion hier hat mich doch glatt dazu verleitet, in eine meiner Geschichten eine kleine Episode einzufügen, die gar nicht so einfach authentisch zu schreiben ist. Ich brauche jetzt nur meine eigene Herumeierei einzusetzen.  ;D

Trippelschritt
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Aphelion am 21. Januar 2018, 16:46:44
Verarbeitung beim Schreiben ist für mich Therapeutisches Schreiben. Das würde ich persönlich nicht veröffentlichen. Therapeutisches Schreiben muss mangelhaft sein dürfen.

Ich lasse durchaus etwas aus meinem Leben in meine Geschichten einfließen. Eine direkte Verarbeitung beim Schreiben finde ich eher kontraproduktiv.

Wenn ich ein Thema aus meinem Leben aufgreife, dann muss ich sicher sein, dass es mir nicht (mehr) zu nahe geht. Es passt doch nicht in die Geschichte? Dann fliegt es wieder raus. Die Geschichte ist langweilig? Dann muss sie geändert werden. Das Thema ist so emotional, dass ich keine Distanz zur Wortwahl finde? Darf nicht sein. Jemand findet das Geschriebene doof/unrealistisch/unnötig/übertrieben? Das muss ich verkraften.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Zit am 21. Januar 2018, 20:27:21
Hm, therapeutisches Schreiben habe ich einmal gemacht und es auch veröffentlicht, aber es war mehr als Botschaft gemeint, weniger als wirkliche Sache zur Unterhaltung anderer. Meinem früheren Ich würde ich sagen, dass zumindest das Veröffentlichten vertane Liebesmüh ist. Also, nein, ich schreibe keine Erlebnisse oder Erfahrungen in meine Geschichten. Zum einen geht es keinen was an, außer mich und den anderen Beteiligten, zum anderen fühlt es sich auch falsch an, Figuren etwas mitzugeben, das nicht aus ihrem sondern meinem Lebenslauf stammt. Das ist dann wie so ein Fremdkörper bei der Charakterisierung. Lieber erinnere ich mich an verschiedene Momente und abstrahiere die Gefühle, um sie dann mit der Stimme der Figur beschreiben zu können. Andererseits lass ich es mir nicht nehmen, Weltansichten oder Dinge, die mich ärgern, anzusprechen und zu bearbeiten. Oder klassische Motive zu nehmen und umzudrehen (Magie wird geächtet und verfolgt bspw.).
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: FeeamPC am 21. Januar 2018, 22:01:09
Meine eigenen Erfahrungen in der täglichen Tretmühle würden meinen Erzählungen diametral entgegenstehen. Keine Chance. Ich verarbeite nicht meine eigenen Erfahrungen, sondern ein Konglomerat aus meinem Leben und 5000 - 10000 gelesenen Büchern.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Eluin am 22. Januar 2018, 07:01:55
Wenn ich Probleme von mir einbaue, dann nur, wenn ich sie für mich lösen konnte. Alles andere stürzt mich nur in gewaltige Plotlöcher (japp, habe ich probiert). Außerdem abstrahiere ich Probleme so stark, dass sie nur bedingt wiedererkennbar sind. Bei meinem aktuellen Projekt betrachte ich zb einige Probleme von unsichtbaren, chronischen Erkrankungen. Natürlich spielen da auch meine eigenen Erfahrungen eine Rolle, aber auch sehr viel was ich von anderen mitbekommen habe, gelesen habe usw. (auch hier abstrahiert, nicht wiedererkennbar bzw. als Spiel mit Klischees)

Meine Romane sind immer eine bunte Mischung aus Erfahrungen, Gelesenem, reiner Phantasie und ganz vielen anderen Dingen. Nichts ist eins zu eins übertragbar. Im Endeffekt ahnen vielleicht mir absolut vertraute Personen, was autobiographisch sein könnte, aber selbst ich weiß es nicht immer.
Ich habe auch festgestellt, dass ich manchmal Alternative Lösungswege betrachte, die ich nicht gewählt habe. Ich liebe einfach die Frage "was wäre, wenn?"
Dazu kommt, dass solche Probleme meistens nur eine kleine Facette sind. Im Großen sind es eher Themen, die mich beschäftigen. Seien es Ungerechtigkeiten, Naturschutz (gerade in Dystopien) oder allgemein Problematiken, auf die Menschen treffen. Ähnliches erlebt und bewältigt zu haben, macht es für mich zum Teil einfacher. Vor allem aber kann ich von meinem Leben ausgehen, um mir andere Erlebnisse zu Erschließung und in ein passendes Stimmungsbild zu übersetzen. Von daher denke ich, alle unsere Erfahrungen prägen uns und natürlich fließen die auch mit ein.

Wirklich Probleme in Textform lösen gehört für mich aber zur Kategorie therapeutisches schreiben, wie @Aphelion es so schön beschrieben hat. Vor allem muss es mangelhaft sein dürfen und nicht in Plotlöcher führen, wenn ich keine Lösung finde.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: canis lupus niger am 24. Januar 2018, 15:58:42
Eine Therapie ist das Schreiben für mich auch nicht, aber natürlich lasse ich Erfahrungen und Empfindungen sehr häufig einfließen. Eigentlich immer. Ich bin davon überzeugt, dass meine Charaktere unter anderem deswegen inzwischen von Rezensenten als besonders lebendig und authentisch beurteilt werden. Ebenso verwende ich erlebte Verhaltensweisen (und Charakterzüge) realer Personen. Wenn ich mit den Personen sehr unangenehme Erfahrungen gemacht habe, dann mache ich diese Charaktere sehr gerne so richtig fertig, natürlich ohne den Namen zu nennen, oder auch nur irgendwelche Hinweise darauf zu geben, dass es eine reale Person mit ähnlichen Eigenschaften geben könnte. DAS hat gelegentlich eine tief befriedigende und eventuell auch therapeutische Wirkung auf mich.  :snicker:
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Ary am 24. Januar 2018, 16:05:25
Andere ketzerische Frage - kann ich überhaupt etwas schreiben, worin nicht ein Hauch von mir selbst mitschwingt? Ich habe oft klaustrophobische Protagonisten, wenn meine Helden an einer Phobie leiden sollen, oder Spinnenphobiker. Ganz einfach, weil ich davon selbst nicht ganz frei bin und nachfühlen kann, wie es sich anfühlt, mit Situationen, die mit engen Räumen oder Spinnen zu tun haben, konfrontiert zu werden.
Eigene Erfahrungen fließen bei mir automatisch mit ein, aber als "Therapie" benutze ich das schreiben nicht.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Frau S. am 24. Januar 2018, 16:15:44
ZitatAndere ketzerische Frage - kann ich überhaupt etwas schreiben, worin nicht ein Hauch von mir selbst mitschwingt?
Dazu hat Diana Gabaldon sich mal geäußert. Sie hat es ganz klar verneint - sie sagt, natürlich ist in all ihren Figuren irgendetwas von ihr selbst auch enthalten, auch wenn sie natürlich nicht die Figur ist.
Eigentlich ist es fast nicht anders möglich, schließlich entspringt die Figur (und alles andere) ja meinem Kopf.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: shalom am 25. Januar 2018, 22:06:01
Nicht gezielt, aber gewisse Charakterzüge oder autobiographische Umstände entdeckt man - zumindest auf einer übertragenen Ebene - am Ende dann doch wieder.
Und wenn es auch nur in einer einigermaßen interessanten Nebenfigur oder einer auf den ersten Blick unwichtigen fiktiven Situation ist.
Aber es sollte uns doch auch wundern, wäre dem nicht so, oder? Ich meine, wenn man etwas so gut kennt, dass man es spannend beschreiben kann, dann doch sich selbst?  ;)

Den Steppenwolf, zum Beispiel, finde ich großartig.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Carla Gabrielis am 25. Januar 2018, 23:58:34
Ehrlich gesagt denke ich, dass man seine Probleme irgendwie immer in seinen Büchern aufarbeitet.
Ich meine: Viele hier haben gesagt, dass sie unbewusst schon die ein oder andere Situation mit einfließen lassen haben.
Vielleicht irre ich mich auch, aber das Aufarbeiten von Problemen passiert doch nicht immer bewusst, oder?
Ich würde nicht behaupten, dass meine Bücher deswegen therapeutisches Schreiben sind, aber ja:
in jedem Buch, das ich geschrieben habe, finde ich im Nachhinein irgendein Problem von mir wieder.
Und gibt es nicht auch einen Film über einen Musiker, der nur dann coole Songs schreibt, wenn er gerade irgendwelche Probleme hat?

Ich denke shalom hat recht.
Ich finde auch, dass man sich nur dann gut in einen Charakter oder in eine Situation hineinversetzen kann,
wenn es spannend und realostisch (so realistisch es im Fantasy-Bereich halt möglich ist) dargestellt ist.
Deswegen sehe ich persönlich auch kein Problem darin, seine Probleme in Büchern zu thematisieren,
solange sie irgendwie zu Person und Handlung und so weiter passen und nicht in jedem Buch und in jeder Situation "wiedergekäut" werden.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Zit am 26. Januar 2018, 01:28:39
ZitatDeswegen sehe ich persönlich auch kein Problem darin, seine Probleme in Büchern zu thematisieren,
solange sie irgendwie zu Person und Handlung und so weiter passen und nicht in jedem Buch und in jeder Situation "wiedergekäut" werden.

Ich bezweifel, dass mein Leben wichtig genug ist, um mich ständig um mich selbst zu drehen. Ich denke auch, dass man sich selbst einschränkt, wenn man oft von sich selbst ausgeht. Bei gewissen Problemen ist es vielleicht auch gar nicht gut, sie "ständig" präsent zu haben und textlich darauf herumzukauen. Wie kann ich eine Figur ihren eigenen Charakter und ihre eigene Geschichte geben, wenn sie Probleme bewältigen muss, die nicht ihre sondern meine sind?
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Carla Gabrielis am 26. Januar 2018, 10:14:19
Da hast du schon recht. So habe ich das noch gar nicht gesehen!
Ich denke, das werde ich direkt mal ausprobieren!
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Araluen am 26. Januar 2018, 10:36:21
Ich finde, man sollte auch klar unterscheiden, ob man seine Probleme tatsächlich in der Geschichte bewältigt oder ob man einfach eine abgeschlossene und verarbeitete Episode aus der eigenen Lebenserfahrung mit einflechtet. Letzteres kommt auch bei mir hin und wieder einmal vor, wobei ich nicht viel von persönlichen Seelenstriptease in Geschichten halte.
Werde ich gerade gemobbt und schreibe ein Buch mit einem Mobbingopfer darüber noch während ich in Therapie deswegen bin? Dann verarbeite ich mein Problem in der Geschichte. Würde mir persönlich nicht einfallen, das zu tun. Das geht niemanden etwas an. Da bin ich eigen.
Die Mobbingzeit liegt schon eine Weile zurück, ich habe das Thema verarbeitet und kann reflektiert und ohne Nervenzusammenbruch darauf zurückblicken? Ja vielleicht mag ich eine Geschichte mit dem Thema Mobbing schreiben. Würde ich jetzt auch nicht tun, denn ich bin immer noch der Meinung, das mein Leben niemanden etwas angeht. Außerdem macht es mir viel mehr Spaß, mich in andere Figuren hinein zu denken, statt lauter kleine Kopien meiner selbst durch meine Geschichten hüpfen zu sehen.
Was ich tatsächlich hin und wieder mache, ist die Übertragung von Lebensweisheiten und Anschauungen auf meine Figuren oder den Plot. Und manchmal schreibe ich auch kleine Anekdoten auf, solche, die man ohnehin gern im Freundeskreis mal erzählt. Authentischer geht es ja kaum. Ich weiß, dass es so passieren kann, mir ist es passiert. Und die verrücktesten Geschichten schreibt das Leben selbst.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: canis lupus niger am 26. Januar 2018, 10:40:03
Karl May hat behauptet, dass er nur über Dinge geschrieben hätte, die er selber erlebt hätte. Bekanntermaßen ist er erst als alter Mann in die USA und in den Orient gereist, und er hat auch selber mal in einem Interview erklärt, es wäre doch völlig unmöglich, dass ein einzelner Mensch all diese Abenteuer und Reisen tatsächlich erlebt. Somit  ist klar, dass er mit dem "selbst Erlebten" die zwischenmenschlichen Probleme und Dramen meint, die er in seinen Romanen thematisiert.

Genauso halte ich es auch. Natürlich kann ich nicht den Umgang mit zahmen, als Haustieren gehaltenen Drachen, oder Reisen durch eine mittelalterliche Welt aus eigener Anschauung beschreiben. Aber menschliche Gefühle, Enttäuschungen oder persönliche Entwicklungen, die kenne ich, und kann sie thematisieren, um meine Geschichten und Charaktere authentisch und lebendig zu gestalten.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Cooky am 26. Januar 2018, 10:40:24
Ich sehe das ähnlich wie @Eluin. Wenn man seinen Protagonisten innere Konflikte verpasst, die etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben, sollten es die sein, die man bereits für sich gelöst hat.
Wie schafft es der Protagonist, den Konflikt zu überwinden, wenn man keine Idee hat, wie man es für sich selbst schaffen soll, oder einem die Kraft dazu fehlt? Und wenn es dem Protagonist dann doch gelingen sollte, ist das auch die Lösung einen selbst? Wenn nicht, macht es das Problem am Ende nicht noch schlimmer?
Dass eigene Erlebnisse und Konflikte in eine Geschichte einfließen, ist okay. Über Sachen zu schreiben, von denen man eine Ahnung hat, kann eine Geschichte authentischer machen. Innere Konflikte machen einen Protagonisten interessanter. Wenn er durch die Überwindung eine Charakterwandlung vollzieht, ist das für den Leser ideal. Ich denke aber nicht, dass es mit einem Problem möglich ist, an dem man selbst noch nagt, während man die Geschichte schreibt.
Ich habe hier hauptsächlich Geschichten im Kopf, die man für ein Publikum schreibt. Schreibt man nur für sich selbst, kann es funktionieren. Nicht für mich, aber am Ende tickt jeder Mensch anders.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: HauntingWitch am 26. Januar 2018, 12:44:22
Zitat von: Aryana am 24. Januar 2018, 16:05:25
Andere ketzerische Frage - kann ich überhaupt etwas schreiben, worin nicht ein Hauch von mir selbst mitschwingt?

Ich denke auch, dass man das nicht kann. Erstrebenswert fände ich aber, etwas schreiben zu können, was sehr weit weg von meiner eigenen Lebensrealität und Weltanschauung ist. Sagen wir z.B. in der Perspektive von jemandem, der mir im realen Leben unsympathisch wäre. (Kann ich aber noch nicht wirklich).

Zitat von: Zitkalasa am 26. Januar 2018, 01:28:39
ZitatDeswegen sehe ich persönlich auch kein Problem darin, seine Probleme in Büchern zu thematisieren,
solange sie irgendwie zu Person und Handlung und so weiter passen und nicht in jedem Buch und in jeder Situation "wiedergekäut" werden.

Ich bezweifel, dass mein Leben wichtig genug ist, um mich ständig um mich selbst zu drehen. Ich denke auch, dass man sich selbst einschränkt, wenn man oft von sich selbst ausgeht. Bei gewissen Problemen ist es vielleicht auch gar nicht gut, sie "ständig" präsent zu haben und textlich darauf herumzukauen. Wie kann ich eine Figur ihren eigenen Charakter und ihre eigene Geschichte geben, wenn sie Probleme bewältigen muss, die nicht ihre sondern meine sind?

Die Figur kann ja trotzdem einen eigenen Charakter und eine eigene Geschichte haben. Ich verteile Sachen, die ich verarbeite, immer auf mehrere Ebenen. Sprich, verschiedene Figuren, verschiedene Storylines, verschiedene Romane. Ich verarbeite ja nicht mein ganzes Leben in einem Roman, sondern nur Teile daraus. Warum nicht ein Teilthema meines eigenen Lebens in einem Roman als Teilthema für eine bestimmte Figur verbauen? Ich sehe für mich nichts, was dagegen spricht.

Im übrigen sehe ich das wie Araluen. Ich könnte gar nichts in einem Roman verarbeiten, was für mich nicht abgeschlossen ist, das ginge schlicht nicht.

Zitat von: Carla Gabrielis am 25. Januar 2018, 23:58:34
Und gibt es nicht auch einen Film über einen Musiker, der nur dann coole Songs schreibt, wenn er gerade irgendwelche Probleme hat?

Solche Filme gibt es, glaube ich, ein paar. Das habe ich lange Zeit auch geglaubt, aber mittlerweile sehe ich das anders. Sonst könnte ich nämlich jetzt gar nicht mehr schreiben. ;) Was ich aber glaube ist, dass besonders schwerwiegende oder eindrückliche Ereignisse oder Erfahrungen die Kreativität durchaus auch lange danach noch nähren können. Geschichten bestehen ja auch aus Konflikten, wo kein Konflikt, keine Geschichte. Da erscheint es mir nur logisch, Geschichten auch aus Konflikten heraus entstehen zu lassen.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Soly am 28. Januar 2018, 14:06:54
Zitat von: Witch am 26. Januar 2018, 12:44:22
Was ich aber glaube ist, dass besonders schwerwiegende oder eindrückliche Ereignisse oder Erfahrungen die Kreativität durchaus auch lange danach noch nähren können. Geschichten bestehen ja auch aus Konflikten, wo kein Konflikt, keine Geschichte. Da erscheint es mir nur logisch, Geschichten auch aus Konflikten heraus entstehen zu lassen.

Es gibt da ja auch die nicht unumstrittene, aber gern zitierte These in der Psychologie, dass psychische Labilität (allen voran depressive Störungen) hoch mit Kreativität zusammenhängt. Künstler brechen teilweise ihre Therapie ab, weil sie durch die Verbesserung ihrer Major Depression nicht mehr so kreativ arbeiten können...

Gibt es hier außer mir eigentlich noch jemanden, der nicht seine eigenen höchstselbst erlebten Probleme in Geschichten aufgreift, sondern seine Probleme tatsächlich beim Schreiben verarbeitet? Also im Sinne von "während des Schreibens"?
Für ist das Schreiben in den Tiefphasen manchmal selbst eine Therapie; nicht weil ich fiktive Figuren meine eigenen Probleme durchleben lasse, sondern weil ich mich mit fiktiven Figuren und deren Problemen beschäftigen und dabei etwas Distanz zu meinem eigenen Leben aufbauen kann - um dann gelassener und nüchterner an die Probleme heranzugehen, die mich selbst beschäftigen. Oder um sie einfach mal durch fremde Welten zu ersetzen.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Layka am 28. Januar 2018, 14:26:44
@Solmorn, mir geht es manchmal ähnlich, glaube ich. Ich beschäftige mich in meinen Geschichten kaum aktiv mit meinen eigenen Problemen, aber allein aus dem Niederbrechen der Konflikte meiner Figuren auf "er will x wegen y und dabei steht ihm z im Weg" gewinne ich manchmal eine viel nüchternere Sichtweise auf das, was mich selbst bewegt. Natürlich verschwinden dadurch nicht alle Emotionen, die ich damit jeweils verbinde. Trotzdem hilft es, zwischendurch einfach mal in einer anderen Haut zu stecken.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Aphelion am 02. Februar 2018, 15:02:23
Es gibt bei Habitica im Moment eine Challenge (https://habitica.com/challenges/75a06666-b0c0-4fec-b612-ef5bebe74bfb), in der es um Gefühlsbewältigung mittels fiktiver Figuren geht. Die dazugehörigen Aufgaben sind vielleicht allgemein interessant:


Mir wäre das wie gesagt zu spezifisch, aber vielleicht kann jemand diese Anregungen für sich nutzen. :)
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Peftrako am 08. Februar 2018, 08:50:20
Alles, das wir in Büchern und Geschichten schreiben, stammt aus unserem Kopf. Letztlich basiert das Geschriebene damit ja auf unseren Erfahrungen, Erlebnissen, Gefühlen und Denkweisen. So sehr man sich bemühen mag, etwas völlig anderes oder gar abstruses zu erfinden: am Ende ist es immer ein Produkt der Gedanken des Autors.

Kann man über etwas schreiben oder sich etwas vorstellen, dass man zuvor weder gesehen, gelesen oder in sonstiger Weise erfahren hat? Ich denke nicht. Und selbst wenn man glaubt, etwas völlig neues zu schreiben, so ist es sicher nur eine Mischung aus den eigenen Sinneseindrücken der Vergangenheit.

Die Charaktere in einer Geschichte entsprechen daher immer entweder den eigenen Erfahrungen oder Erfahrungen, die wir mit unsere Mitmenschen gemacht haben. Auch die Bilder, Charakter und Verhaltensweisen von Protagonisten aus Büchern oder Filmen sind verarbeitet. Wie soll ich auch sonst über einen wutentbrannten Nachbarn schreiben, wenn ich das nicht schon einmal irgendwo gesehen/erlebt habe?

Da die eigenen Erfahrung (immer) intensiver sind, als fremde, ist es für mich nur logisch, dass diese auch mehr Einzug in Geschichten erhalten. Ob bewusst oder unbewusst: Wenn ein Charakter in einer Geschichte etwas erlebt oder erleben soll, dass den eigenen Erfahrungen ähnelt, dann wird zwangweise die eigene Psychologie mit offen gelegt. Ist man sich der Tatsache während des Schreibens bewusst, kann man steuern, wohin die Reise geht. Ist man sich dessen nicht bewusst, halte ich es für möglich oder wahrscheinlich, dass die selbst erfundenen Charaktere dann auch dem eigenen Ich und dem eigenen Verhalten ähneln.

Setzt man das über sich selbst schreiben bewusst ein, so kann es durchaus therapeutisch wirken. Immerhin setzt man sich beim Schreiben dann mit sich selbst und dem Erlebten auseinander.

Aber: Manches Erlebnis will man vielleicht lieber für sich behalten. Will darüber schweigen, weil man selbst noch nicht damit zurecht kommt oder weil man schlicht kein Interesse daran hat, dass die Umgebung oder gar die engsten Vertrauten davon wissen. Eine Geschichte kann (muss aber nicht) viel über den Autor aussagen. Vielmehr, als man beim Schreiben vielleicht selbst merkt. Ein unbekannter Leser, der den Autor nicht kennt, wird dem keine tiefe Bedeutung beimessen. Ein Leser, der den Autor persönlich kennt oder aus seinem Umfeld stammt, wird jedoch interpretieren. Bewusst oder unbewusst wird er die Geschichte mit dem Autor in Verbindung bringen. Will man dies?
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Guddy am 08. Februar 2018, 11:42:56
Zitat von: Peftrako am 08. Februar 2018, 08:50:20
Alles, das wir in Büchern und Geschichten schreiben, stammt aus unserem Kopf. Letztlich basiert das Geschriebene damit ja auf unseren Erfahrungen, Erlebnissen, Gefühlen und Denkweisen. So sehr man sich bemühen mag, etwas völlig anderes oder gar abstruses zu erfinden: am Ende ist es immer ein Produkt der Gedanken des Autors.
Das steht ja außer Frage. Ich glaube, was hier eher Fokus ist, ist, ob es bewusst geschieht. Und zwar sowohl das eine ("Meine Protagonistin hat eine Essstörung, damit ich durch das Schreiben meine eigenen Probleme damit verarbeiten kann") als auch das andere ("Ich klammere Esstörungen bewusst aus.").

Ob man durch das Schreiben aber unbeabsichtigt etwas verarbeitet, kann man nicht immer so genau sagen. Möglich, dass das Schreiben an sich Therapie ist oder man durch die Heldenreise seines Protagonisten selbst Kraft schöpft.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: canis lupus niger am 08. Februar 2018, 12:25:46
In meinen Geschichten mache ich beides. Persönliche Erfahrungen nutze ich grundsätzlich, um Charaktere und ereignisse authentischer zu gestalten. In meinem letzen Roman hat ein Charakter ganz massiver Mobbing-Probleme, so wie meine Tochter sie in der Schule erleiden musste. Und in meinem aktuellen Projekt entwickelt der Prota eine Depression, weil er sich und sein Selbstverständnis in Frage stellt, wie nie zuvor. Er ist von sich selber enttäuscht. Hab ich auch mal selber erlebt. Das steht im Roman natürlich nicht drin, und ich schreibe das nicht, um mich selber zu therapieren. Eine Art Befreiung ist es trotzdem, das Problem auf eine fiktive Person verlagern und auf diese Weise von außen betrachten zu können.

Hm, so gesehen doch eine Therapie?  :-\
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Zit am 08. Februar 2018, 14:55:14
Zitat von: Peftrako am 08. Februar 2018, 08:50:20
Kann man über etwas schreiben oder sich etwas vorstellen, dass man zuvor weder gesehen, gelesen oder in sonstiger Weise erfahren hat? Ich denke nicht. Und selbst wenn man glaubt, etwas völlig neues zu schreiben, so ist es sicher nur eine Mischung aus den eigenen Sinneseindrücken der Vergangenheit.

Hm, ich hab letztens eine Doku gesehen, in der es hieß, dass es in der Caverne du Pont-d'Arc auch Darstellungen von Fabelwesen gibt. Ohnehin sind Fabelwesen oder Belletristik – gerade die phantastische – oder Kunst (man denke an Hieronymus Bosch) der perfekte Beweis, dass Menschen dazu in der Lage sind, sich Dinge vorzustellen, die gar nicht existieren. Das ist das, was uns auch so herausragend macht und von anderen Lebewesen unterscheidet.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Soly am 09. Februar 2018, 10:47:58
Zitat von: canis lupus niger am 08. Februar 2018, 12:25:46
Eine Art Befreiung ist es trotzdem, das Problem auf eine fiktive Person verlagern und auf diese Weise von außen betrachten zu können.
Hm, so gesehen doch eine Therapie?  :-\

Kommt drauf an, wen du fragst; Psychodynamiker und Systemtheoretiker würden es wahrscheinlich so machen, amerikanische Behavioristen würden aufs Übelste widersprechen. ;) Ist nicht so einfach mit den psychologischen Theorien...
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Peftrako am 12. Februar 2018, 08:28:43
Zitat von: Zitkalasa am 08. Februar 2018, 14:55:14
Hm, ich hab letztens eine Doku gesehen, in der es hieß, dass es in der Caverne du Pont-d'Arc auch Darstellungen von Fabelwesen gibt. Ohnehin sind Fabelwesen oder Belletristik – gerade die phantastische – oder Kunst (man denke an Hieronymus Bosch) der perfekte Beweis, dass Menschen dazu in der Lage sind, sich Dinge vorzustellen, die gar nicht existieren. Das ist das, was uns auch so herausragend macht und von anderen Lebewesen unterscheidet.

Dennoch greifen wir bei Dingen, die es nicht gibt, auf bereits Erfahrenes zurück. So abstrakt oder unwirklich etwas auch sein mag, es besteht aus Mustern, die der Urheber irgendwo bezogen und verarbeitet hat. Und um wieder zurück zum Thema zu kommen: Ich habe vor Kurzem eine Geschichte verfasst, die das Thema Demenz beinhaltet. Nur durch eigene Erfahrungen war es mir möglich, das Thema realistisch zu gestalten. Die Erfahrungen hätte ich vielleicht noch durch Recherche substituieren können, doch auch dann hole ich mir ja eine Vorlage.

Zitat von: Guddy am 08. Februar 2018, 11:42:56Das steht ja außer Frage. Ich glaube, was hier eher Fokus ist, ist, ob es bewusst geschieht. Und zwar sowohl das eine ("Meine Protagonistin hat eine Essstörung, damit ich durch das Schreiben meine eigenen Probleme damit verarbeiten kann") als auch das andere ("Ich klammere Esstörungen bewusst aus.").

Vielleicht habe ich nicht deutlich genug gemacht, was ich meine. Ich denke, dass alles, das wir schreiben unseren Erfahrungen entspringt. Die Schwelle zwischen unbewusster Verarbeitung und bewusster Verarbeitung bedarf jedoch der Kenntnis dessen, was verarbeitet wird. Weiß der Autor, dass er eine Essstörung hat, so ist die Entscheidung, dies einzubauen recht einfach: Nein oder Ja und welcher Charakter hat sie (die Umsetzung steht dann auf einem anderen Blatt und bedarf dann wieder der hohen Kunst des Schreibens). Schwieriger ist dies bei den im Verborgenen liegenden Dingen. Traumata, Stress, etc., also Dingen, die uns auf die Phsyche schlagen. Möglich, dass man heute ein Buch schreibt und in zehn Jahren darin die Probleme wiederfindet, die bereits beim Verfassen tief im eigenen Innern schlummerten und unbewusst Einzug in die Geschichte gefunden haben.

Die Frage, ob ich etwas mit meinen Geschichten verarbeite ist meines Erachtens immer mit Ja zu beantworten. Die eigentliche Frage ist doch eher: Habe ich es bewusst getan oder hat sich das Unbewusste durch das Schreiben bemerkbar gemacht?


Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Neweda am 12. Februar 2018, 16:40:56
Zitat von: Peftrako am 08. Februar 2018, 14:55:14Schwieriger ist dies bei den im Verborgenen liegenden Dingen. Traumata, Stress, etc., also Dingen, die uns auf die Phsyche schlagen. Möglich, dass man heute ein Buch schreibt und in zehn Jahren darin die Probleme wiederfindet, die bereits beim Verfassen tief im eigenen Innern schlummerten und unbewusst Einzug in die Geschichte gefunden haben.

Um genau zu sein ja. Wenn ich einige meiner Geschichten für die Schublade vor ca. sieben Jahren ansehe, kann ich diese lesen wie ein Tagebuch. Auch wenn ich damals nur daran dachte Geschichten zu schreiben und meine Probleme unbewusst verarbeitet habe, kann ich auf jede Szene deuten und weiß welche positive oder negative Erfahrungen ich da gemacht habe. Teilweise sind es Geschichten die absolut  keinen Handlungsstrang haben. Früher oder später (auch wenn man es versucht zu vermeiden) fließen positive wie negative Erfahrungen mit ein, denn was wäre ein Mensch ohne Erfahrung?
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Sanjani am 13. Februar 2018, 14:58:52
@Solmorn
Zitat von: Solmorn am 09. Februar 2018, 10:47:58
Kommt drauf an, wen du fragst; Psychodynamiker und Systemtheoretiker würden es wahrscheinlich so machen, amerikanische Behavioristen würden aufs Übelste widersprechen. ;)

Na, na, na, bestehen hier etwa Vorurteile gegen Behavioristen? Das Prinzip der Außenperspektive ist auch uns Verhaltenstherapeuten gut bekannt und wird auch rege genutzt, insbesondere in der Achtsamkeit oder auch in der Traumatherapie. Auch in Amerika. Es ist nicht von uns erfunden worden, aber widersprechen würden wir nicht :D

So, jetzt aber zum eigentlichen Thema: Ich hab das vor einem halben Leben mal gemacht. Ich hab ein Buch geschrieben, in welchem aber eindeutige Szenen aus meiner Biografie beschrieben wurden. Der Prota war einer meiner Freunde, für den ich das allerdings auch mehr oder weniger geschrieben habe. Die Protagonistin war ich, also nicht eins zu eins, aber jeder, der mich kennt, hätte mich wiedererkannt. Wie gesagt, das war absichtlich so. Dabei ging es mir auch nicht um Probleme, sondern einfach darum, das so zusammenzubauen, dass ein Teil stimmt und der andere nicht. Und als ich dann die Protagonistin schrieb, konnte sie einfach nur so sein, wie ich eben war. Das hat mich und den Freund eine Zeitlang echt nahe gebracht und habe ich in schöner Erinnerung. Aber noch mal würde ich so etwas nicht machen wollen, und vor allem würde ich das auch nie veröffentlichen, obwohl es, wie gesagt, nicht um Probleme im eigentlichen Sinne ging. Es waren einfach die Schwierigkeiten einer pubertierenden Jugendlichen :)

Wir hatten hier mal einen Thread, der hieß irgendwas mit wiederkehrende Muster in eueren Geschichten. Auf dem Level würde ich mich selbst einordnen. Bei mir gibt es Muster, die immer wiederkehren, so z. B. die Außenseiterrolle und der Kampf gegen ein Establishment. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, so etwas hätte es in meinem Leben nicht gegeben. Im Gegenteil. Das gab es häufig in verschiedenen Variationen. Aber es ist kein Problem für mich. Und das Schreiben macht es auch nicht besser oder schlechter. Ich schreib halt gern drüber :) Umgekehrt gibt es andere Begebenheiten in meinem Leben, die ich zwar überwunden habe, von denen ich aber denke, dass ich vielleicht nie darüber werde schreiben können. Und dann gibt's halt noch so Kleinscheiß, wo ich einfach aus meinem Erfahrungsschatz schöpfe, was ich aber nicht als schwerwiegendes Problem einordnen würde und wo ich auch nicht denke, dass es um Verarbeitung geht.

Ich kann mir aber schon vorstellen, dass man auch über eigene Probleme tolle Geschichten schreiben kann, aus denen einem das Problem auch nicht gleich entgegenspringt. Natürlich muss "therapeutisches Schreiben" nicht vollkommen sein, aber es darf!

LG Sanjani
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Zit am 13. Februar 2018, 22:18:31
@Peftrako und @Neweda Könnt ihr bitte auf eure Zitate achten? Ihr habt mir beide Dinge unterstellt, die nicht ich sondern einmal Guddy und einmal Peftrako gesagt hat. Danke.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Peftrako am 14. Februar 2018, 08:23:56
Zitat von: Zitkalasa am 13. Februar 2018, 22:18:31
@Peftrako und @Neweda Könnt ihr bitte auf eure Zitate achten? Ihr habt mir beide Dinge unterstellt, die nicht ich sondern einmal Guddy und einmal Peftrako gesagt hat. Danke.

Entschuldigung, das hatte sich durch die ganzen Zitate im Zitat beim Kopieren der Parameter eingeschlichen. Ist korrigiert. Ich will dir natürlich nichts Ungeschriebenes unterjubeln...
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Neweda am 14. Februar 2018, 10:50:17
Zitat von: Zitkalasa am 13. Februar 2018, 22:18:31
@Peftrako und @Neweda Könnt ihr bitte auf eure Zitate achten? Ihr habt mir beide Dinge unterstellt, die nicht ich sondern einmal Guddy und einmal Peftrako gesagt hat. Danke.

Tut mir Leid, ich habe beim Löschen der Parameter im Zitat nicht aufgepasst.

Zitat von: Peftrako am 14. Februar 2018, 08:23:56
Ich will dir natürlich nichts Ungeschriebenes unterjubeln...

Dem will ich mich anschließen ;)
Deshalb habe ich es ebenfalls verbessert und werde beim Löschen der Parameter besser aufpassen, was ich da alles lösche.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: Zit am 14. Februar 2018, 18:29:48
Ist alles gut. :) Ich wollte nur darauf hinweisen. Ist ja nix passiert.
Titel: Re: Probleme beim Schreiben verarbeiten
Beitrag von: PBard am 15. Februar 2018, 15:50:47
Der Thread zeigt meiner Meinung nach stark, wie viel hier doch eine Definitionsfrage ist. Was zählt man noch zu "verarbeiten", und was sind "eigene Probleme". Je nachdem müßte ich entweder mit "Ja" oder "Nein" antworten, weshalb ich jetzt einfach mal ein herzliches "Jein" einwerfe. :ätsch:

Ich persönlich würde keinen Charakter mir ähnlich schreiben und ihn dann vor dieselben Probleme stellen, mit denen ich so in meinem Leben konfrontiert werde. Das wär mir irgendwie peinlich, und ich halte mich selbst auch nicht unbedingt für die interessanteste, sympathischste Figur. :rofl:

Noch dazu bin ich nicht sicher, ob mich das überhaupt therapieren würde, oder nicht vielleicht doch eher verheilte Wunden neu aufreißen könnte. Es gibt einfach Dinge in meinem Leben, die ich nicht unbedingt nochmal fühlen muß, aber ohne mich in eine Figur hineinzuversetzen kann ich diese nicht wirklich schreiben.

Auf der anderen Seite: wie ja schon angesprochen wurde, man schreibt ja auch unbewußt schon einiges in seine Geschichten hinein, das auf den zweiten Blick dann doch etwas mit dem eigenen Leben gemein hat. Ich hab einfach inzwischen für mich entschieden, das etwas bewußter zu machen und mich davon nicht mehr überraschen zu lassen.

Wobei ich jetzt weniger von "Problemen" sprechen würde. Ich verarbeite einfach gerne Themen, die mich im realen Leben beschäftigen, egal ob mich diese jetzt direkt betreffen oder ich sie nur bei Bekannten mitbekomme. Deswegen bin ich ja vermutlich auch letztendlich bei Social Fantasy gelandet.

Wenn dann bei jeder Figur ein kleines Stück von mir selbst drin steckt und gewisse Dinge aus einer mir ähnlichen Perspektive erlebt werden, dann ist das für mich vollkommen in Ordnung - ich hoffe aber, daß es bei jedem Charakter ein anderes Stück ist und ich es auf die Reihe bekomme, die Themen durchaus nicht nur einseitig aus meiner Sicht zu betrachten. Der Idealfall wäre eben, wenn sich der Leser am Ende seine eigene Meinung bilden kann, ohne daß er das Gefühl hat, ich hätte ihm die meine eingeprügelt.

Und, wenn ich so drüber nachdenke, mir selbst hilft das Schreiben ebenso, mir über meine Gedanken zu den Themen etwas bewußter zu werden.

Unterm Strich halte ich das "Verarbeiten" also wohl tatsächlich für einen nicht ganz unwichtigen Teil des Schreibens, also vielleicht doch eher ein "Ja" auf die Frage?